Das Haus in den Wolken
bröckelte. Freudig erregt nahm er es zur Kenntnis. »Sicher würde es anfangs Gerede geben«, räumte er ein. »Aber nach einer Weile würden die Leute das Interesse verlieren und sich dem nächsten Skandal zuwenden. London ist mit Lynton nicht zu vergleichen. In London machen alle möglichen Leute ihren Weg, ohne Rücksicht auf Stand, Religion oder Rasse. AuÃerdem würden sich alle genau wie ich in Sie verlieben, sobald Sie sie näher kennenlernten.«
»Sie haben bestimmt zahlreiche gesellschaftliche Verpï¬ichtungen. Da würde ich Sie nur blamieren.«
»Es ist doch keine groÃe Sache«, entgegnete er unbekümmert, »ein Abendessen zu geben oder zu wissen, was man in der Oper trägt.«
»Das stimmt nicht.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich war lange genug in Stellung, um zu wissen, dass diese Dinge keine Kleinigkeiten sind. Man kann tausend Fehler dabei machen, und ich könnte Sie tausendfach enttäuschen.«
»Glauben Sie denn, es würde mich kümmern, wenn Sie das Besteck durcheinanderbringen?«
»Es würde Sie kümmern, wenn Ihre Freunde sich bei irgendeinem bedeutenden Anlass für Sie genieren würden«, sagte sie leise. »Es würde Sie kümmern, wenn Sie ihnen leidtäten. Mit der Zeit würden Sie es bedauern, mich geheiratet zu haben. Sie würden sich meiner schämen.«
»Niemals.« Er ergriff ihre Hände. »Ich würde es niemals bedauern, Sie geheiratet zu haben. Nicht einen Augenblick.«
»Richard â« Sie seufzte. »Ich bin nicht die richtige Frau für Sie.«
»Doch, Isabel. Ich weiÃ, dass Sie die Richtige für mich sind.« Er war jetzt ruhiger, wusste so genau, was er wollte, wie nie zuvor in seinem Leben. »Mit so einem affektierten Ding, das bei jeder Kleinigkeit in Ohnmacht ï¬ele und sich beschwerte, wenn ich nicht Tag und Nacht um es herumtanzte, würde ich es nicht aushalten. So eine Frau wäre die falsche für mich, ich würde sie erdrücken. Sie hingegen haben einen starken Charakter, Sie sind mutig und selbstständig, und genau das ist das Richtige für mich. Genau so eine Frau brauche ich.«
Sie schwieg und wandte sich von ihm ab, als sie den Rückweg nach Lynmouth antraten. Erst nach einer Weile sagte sie: »Ich bin kein gebildeter Mensch wie Sie. Ich bin mit zwölf Jahren von der Schule abgegangen.«
Er wischte den Einwand mit einer Handbewegung weg. »Bildung ist bei Frauen nicht wichtig. Kein Mensch erwartet Bildung.«
»Aber worüber würden wir reden, was würden wir einander erzählen?«
»Wir würden über alles reden, wozu wir bisher noch nicht gekommen sind. Und manchmal wäre es vielleicht auch gar nicht nötig zu reden. Es wäre genug, einfach zusammen zu sein.«
»Gibt es denn solche Ehen?«
»Wenn nicht, erschaffen wir eben die erste.«
Sie runzelte die Brauen. »Sie sind zu idealistisch.«
»Nein, ich bin ein praktischer Mensch, Isabel. Ich bin kein einfältiger Narr, kein liebeskranker Jüngling, der Sie aus einer Laune heraus bittet, seine Frau zu werden. Natürlich werden wir manchmal streiten, ich bin nicht gerade lammfromm, das gebe ich gern zu. Aber wenn Liebe da ist â eine Liebe, die stark genug ist â, dann ist alles andere unwichtig. Davon bin ich überzeugt.«
»Ach, Richard. Mag ja sein, dass Sie sich einbilden, mich leidenschaftlich zu lieben, aber diese Art Liebe ist nicht von Dauer. Was werden Sie in einem Monat empï¬nden, in sechs Monaten oder in einem Jahr? Früher oder später würden Sie meiner müde werden und wünschen, Sie hätten eine andere geheiratet, eine Frau aus Ihren Kreisen. Am Ende würden Sie mich hassen und wünschen, Sie wären frei.«
»Nein.«
»Das können Sie gar nicht wissen.«
»Doch, ich weià es.«
»Aber ich â« Sie brach ab.
»Sie lieben mich nicht, wollen Sie sagen? Lehnen Sie mich denn ab?«
»Nein, gar nicht. Aber Zuneigung ist nicht Liebe.«
»Zuneigung ist für den Anfang doch gar nicht schlecht. Die Liebe kommt dann schon.«
»Und wenn nicht?«, fragte sie schroff. »Was dann?«
»Sie kommt. Dafür werde ich sorgen. Ich bin bereit, dieses Risiko einzugehen. Und jetzt«, sagte er mit einem ersten Anï¬ug von Ungeduld, »Schluss mit diesem Hin und Her. Wenn wir hier über einen
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