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Das Haus mit der grünen Tür

Das Haus mit der grünen Tür

Titel: Das Haus mit der grünen Tür Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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Sie und der feine Herr Anwalt. William Moberg, Teddy. Die haben ihre Schäfchen von Geburt an im Trockenen. In fünfzig Minuten sitzen sie in der Kopenhagen-Maschine, Teddy. Und sie werden den ganzen Flug über lachen. Das garantiere ich dir. Sie werden lachen, daß das ganze Flugzeug wackelt. Sie und –«
    »Schnauze!« brüllte er. »Schnauze, du Plapperaffe! Sie hält mich nicht zum Narren. Sie kommt wieder. Sie kommt!« Er sprach langsam und umständlich, und er suchte nach Worten, aber auch dem mutigsten Menschen der Welt wäre nicht eingefallen, ihn zu unterbrechen. »Sie liebt mich. Sie ist die einzige Frau in meinem ganzen Leben, die sich was aus – mir macht. Und Henning, er hat mir aus dem Dreck geholfen. Er gab mir einen Job, eine Wohnung – und er war mit ihr verheiratet. Also hab ich gewartet. Und jetzt ist er tot. Und wir wissen gar nichts – darüber. Das einzige, was wir wissen, ist, daß die lange Wartezeit vorbei ist. Daß sie mir gehört, jetzt, Kate …«
    Irgend etwas berührte mich. Er war ein großer Mann, und er sprach ihren Namen aus wie ein Riese, der ein Katzenjunges streichelt.
    Ich stellte sie mir vor. Sie waren ein ungleiches Paar: die kühle, hübsche Platinblondine und der abgekämpfte Ex-Boxer. Und er tat mir leid. Aber nicht so sehr, daß ich nicht immer noch einen Job zu erledigen hatte. »Sie ist abgehauen, Teddy. Du siehst sie nie wieder«, sagte ich, so leise ich konnte.
    Er explodierte so schnell und so gewaltig, daß ich nicht rasch genug reagierte. Im Laufe einer Sekunde war er über mir und hob mich aus dem Sessel. Ich stieß mich mit den Beinen an der Sesselkante ab, das gab mir zusätzlich Schwung – und zwar nach hinten. Dadurch traf sein Schlag nur mit halber Kraft. Andernfalls hätte er mich getötet. Jetzt warf er mich gegen die Wand hinter mir. Ich fühlte ein Knacken am Hinterkopf und rutschte mit dem Kopf an der Wand hinunter, wie wenn man einen Streichholzkopf gegen feuchten Schwefel reibt, ohne ihn zum Zünden zu bringen. Er zerschlug einen Stuhl an der Wand direkt über meinem Kopf, und die Stuhlstücke hagelten auf mich herunter.
    Ich rollte mich auf dem Boden herum und stand auf. Er war schon wieder im Anmarsch. Ich ging zur Seite. Die große Faust traf mich an der Schulter, und sie fühlte sich an, als würde sie in Stücke gerissen. Ich bemerkte, daß ich dastand und etwas in der Hand hielt. Es war das eine Stuhlbein. Ich ging noch einen Schritt zur Seite und schwang das Stuhlbein durch die Luft. Ich traf ihn mit einem dumpfen Geräusch am Kopf.
    Er blieb stehen. Seine Augen sahen eine Sekunde lang über Kreuz, dann fanden sie wieder ihr Ziel. Er schickte eine rechte Gerade los, ohne lange zu zielen. Er benutzte den alten Radar. Der war auf meine Kinnspitze gerichtet, und er traf. Ich folgte ihm rückwärts, so weit ich konnte. Dann traf mein Kopf die Wand, während die Faust weiter vorschoß. Ich wurde zwischen der Faust und der Wand zerquetscht, und ich fühlte, wie das Kinn standhielt, aber die Oberlippe riß, und ich sah mein Blut über seine Faust spritzen.
    In meinem Kopf stoben Funken, und ich wußte mit hundertprozentiger Sicherheit, daß ein weiterer Schlag das Maximum war. Dann läge ich unten und würde ausgezählt, und ich würde keinen Job mehr zu erledigen haben.
    Durch den Funkenregen sah ich, wie er die Muskeln seines rechten Arms spannte. Seine linke Hand lag schwer auf meiner Brust, um mich in Position zu halten, und er zielte mit der rechten.
    Da kam mein Knie hochgeschossen. Es traf ihn an einer Stelle, die mich damals, als er seine Kämpfe noch im Boxring austrug, auf Lebenszeit disqualifiziert hätte. Aber wir waren nicht im Boxring. Er krümmte sich zusammen, nicht mit einem Knicken und nach Luft schnappend, wie es ein leichterer Mann getan hätte, sondern langsam, wie wenn ein rostiges Klappmesser zusammenklappt. Ich hob das Stuhlbein erneut und ließ es hinter seinem Ohr niedersausen: einmal – und noch einmal.
    Dann wurde ich ohnmächtig, für ein paar Sekunden. Als ich aufwachte, lag er über mir wie ein gefällter Baum, und große runde Tränen liefen aus seinen geschlossenen Augen.
    Ich krabbelte unter ihm hervor und sah auf die Uhr. Es war fast eine halbe Stunde her, daß sie gegangen war, und ich befand mich immer noch in einem verschlossenen Raum in einem vierten Stock, mit einem Riesen, der jetzt am Boden lag, aber das würde nicht lange dauern. Und ich zog es vor, mit einem wildgewordenen Gorilla im Zimmer zu sein als

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