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Das Haus mit der grünen Tür

Das Haus mit der grünen Tür

Titel: Das Haus mit der grünen Tür Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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der dort wohnte, eine Katze gehabt. Ich fühlte mich wie diese Katze, aber ich glaubte nicht, daß es etwas nützen würde, an der Tür zu kratzen.
    In der Gürtelhöhe war ein waagerechter Briefschlitz, wie es sie an vielen Türen gegeben hatte, bevor die Postboten zu faul wurden, um zu den Leuten ganz nach oben zu gehen. Ich beugte mich hinunter, schob ihn vorsichtig auf mit zwei gestreckten Fingern und sah hindurch.
    Ich sah einen dunklen Korridor, die Ecke eines Kleiderschranks und sonst nichts. Keine Bewegung, kein Geräusch.
    Ich stand wieder auf. Es gab nur wenige Möglichkeiten, und ich wählte die leichteste zuerst. Ich klingelte. Erst einmal lang und ausdauernd. Dann dreimal kurz. Wie ein Klingelzeichen.
    Keine Reaktion, Ich beugte mich hinunter und sah noch einmal durch den Briefschlitz. Noch immer keine Bewegung, kein Geräusch. Obwohl leere Wohnungen natürlich keine Bewegungen und Geräusche vermuten lassen, war das fast zuviel des Guten.
    Ich versuchte die nächste Methode. Ich legte den Mund an den Briefschlitz und sagte mit einer Stimme, die wie Teddy Lund klingen sollte: »Kate … Kate! Mach auf. Ich bin’s. Teddy. Frau Kvam!«
    Ich zog den Mund schnell zurück und ließ meine Augen wieder den Platz vor dem Schlitz einnehmen. Nichts. Entweder war niemand da, oder …
    Es gab nur noch eine Möglichkeit. Ich trat ein paar Schritte zurück und horchte ins Treppenhaus hinunter. Ich hörte nichts. Ich trat zurück an die Tür.
    Türen mit solchen Briefschlitzen sind so leicht zu öffnen, daß es für einen fingerfertigen Menschen fast eine Irritation darstellt. Und ich bin noch nicht einmal sonderlich fingerfertig. Ich benutzte eine pfiffige, lange und schmale Zange mit geknicktem Griff, wie Installateure sie benutzen, um an schwierige Stellen zu kommen. Die Tür schwang so glatt auf, als wäre sie überhaupt nicht verschlossen gewesen.
    Ich schob sie ganz auf und versicherte mich, daß wirklich niemand dahinter stand. Dann war ich drinnen im Liebesnest – oder was es auch immer gewesen war.
    Der Vorflur wirkte unbewohnt. Es fehlte der Spiegel an der Wand. Dafür war ein großer, quadratischer Fleck auf der Tapete, der zeigte, wo er gehangen hatte. Ein paar kleinere Flecken verrieten, daß dort auch Bilder gehangen hatten. Aber der Besitzer des Spiegels und der Bilder hatte sie mitgenommen, und keiner hatte es für nötig gehalten, neue aufzuhängen. Der etwas feuchte Geruch von altem Staub ließ vermuten, daß die Wohnung nicht bewohnt war, aber über dem Staubgeruch lag ein anderer, neuerer – wie der Geruch von Parfüm. Und es war nicht Apfelblüte, es war ein anderes, kühler – wie es ein Eisberg benutzen würde, oder eine Platinblondine.
    Ich sah durch eine halboffene Tür in einen Raum, der wohl die Küche war. Dort stand ein Wasserkessel auf einer einfachen Kochplatte mit beträchtlichen Rostschäden. Ich berührte den Kessel mit einem Finger. Er war lauwarm.
    Ich drehte mich schnell herum. Aber hinter mir war niemand. Es rührte sich nichts. Niemand sagte ein Wort.
    Es war eine kleine Wohnung. Außer der Küchentür gab es vom Flur aus nur noch eine Tür. Und die war geschlossen.
    Ich trat heran und lauschte. Kein Laut, aber nichtsdestoweniger verspürte ich das Gefühl von Nähe, das ein stummer Mensch in einem stillen Raum immer vermittelt, selbst durch verschlossene Türen. Es gab nur eine Möglichkeit, Gewißheit zu bekommen, und die wollte ich haben. Ich öffnete die Tür – ganz – und trat – nicht einen Schritt in den Raum, sondern einen Schritt zurück in den Flur.
    Kate Kvam saß ungefähr so da wie ihr Mann vor zwei Tagen. Sie saß leicht zurückgelehnt im Sessel, nur mit einem Morgenrock bekleidet aus dem Stoff, aus dem man Moskitonetze macht. Der Morgenrock war blau, das bißchen, was ich sah jedenfalls, und er war vorn weit offen. Sie hatte die Beine übereinandergeschlagen, in einer schamlosen Stellung. Unter dem Morgenrock war sie nackt. Ich sah ihre Brustwarzen durch den Stoff und konnte feststellen, daß sie keine echte Blondine war. Das überraschte mich nicht. Sie wäre nämlich die erste Platinblondine gewesen, der ich begegnete.
    Sie hatte die Augen halb geschlossen und ich war sicher, daß sie tot war. Aber sie war nicht tot, und ein Gefühl von Unwirklichkeit durchfuhr meinen Körper, als sie den Kopf hob, die Augen öffnete, die Lippen befeuchtete und mich ansah. Die eine Hand lag wie zufällig in ihrem Schoß, und sie zog den Morgenmantel vorn nicht zusammen.

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