Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose
er errötete und zu stammeln begann. Doch zu seinem Kummer war sie auch das einzige Mädchen im Dorf, das seinem Charme nicht zu erliegen schien, ein Sachverhalt, glaube ich, der sein Verlangen nach ihr noch zusätzlich anfachte. Er trieb sich täglich in der Nähe unserer Isba herum, in der Hoffnung, Asja irgendwie beeindrucken zu können, wild entschlossen, ihren stählernen Panzer zu durchbrechen und dafür zu sorgen, dass sie ihn liebte, so wie es alle anderen taten.
»Der junge Kolek Borisowitsch ist in dich verknallt«, sagte unsere Mutter eines Abends zu ihrer ältesten Tochter, als sie für uns wieder einmal einen erbärmlichen Topf Schtschi zubereitete, eine Art Kohlsuppe, die mehr oder weniger unverdaulich war. »Er traut sich nicht, in deine Richtung zu schauen. Hast du das bemerkt?«
»Er kann mich nicht anschauen, und das bedeutet, er mag mich?«, bemerkte Asja beiläufig und wischte sein Interesse weg wie einen lästigen Fussel, den sie auf ihrem Kleid entdeckt hatte. »Eine eigenartige Logik, findest du nicht?«
»Er ist in deiner Gegenwart gehemmt, das ist alles«, erklärte Julia. »Nein, was für ein hübscher Junge er ist! Eines Tages wird er ein glückliches Mädchen zum Traualtar führen.«
»Mag sein«, sagte meine Schwester. »Aber nicht mich.«
Als ich sie hinterher dazu befragte, schien sie fast verärgert darüber, dass jemand auf die Idee kommen konnte, Kolek passe zu ihr. »Also erstens ist er zwei Jahre jünger als ich«, erklärte sie in einem wütenden Tonfall. »Ich werde doch keinen Jungen zu meinem Ehemann machen. Und außerdem mag ich ihn nicht. Er hat so eine arrogante Art, die ich nicht ausstehen kann – als drehte sich alles immer nur um ihn. So ist er schon immer gewesen, und jeder in diesem elenden Dorf bestärkt ihn auch noch darin. Und ein Feigling ist er obendrein. Sein Vater ist ein Scheusal – das stimmt doch, Georgi, oder? Ein ganz grässlicher Mensch. Doch alles, was dein kleiner Kolek tut, dient einzig und allein dazu, seinem Vater zu imponieren. Ich kenne keinen Jungen, der so sehr im Bann seines Vaters steht. Es ist widerlich, das zu beobachten.«
Ich wusste nicht, wie ich auf diese Schmähungen reagieren sollte. So wie alle anderen hielt auch ich Kolek Borisowitsch für den feinsten Jungen im Dorf und war insgeheim stolz darauf, dass er mich zu seinem besten Freund auserkoren hatte. Vielleicht lag es ja an unserem so verschiedenen Äußeren, dass unsere Freundschaft so gut gedieh – an der Tatsache, dass ich der kleine, dicke, goldgelockte Gehilfe war, der neben dem großen, schlanken, dunkelhaarigen Helden stand, sodass mein jämmerlicher Anblick ihn noch glorreicher erscheinen ließ, als er es bereits schon war. Und dies wiederum machte seinen Vater noch stolzer auf ihn. In diesem Punkt hatte Asja recht. Kolek hätte buchstäblich alles getan, um seinem Vater zu imponieren. Doch was gab es daran auszusetzen, fragte ich mich. Boris Alexandrowitsch war wenigstens stolz auf seinen Sohn.
Irgendwann hatte ich es jedoch satt, Pascha zu sein. Ich wollte wieder Georgi sein, und um meinen vierzehnten Geburtstag herum machten sich dann plötzlich und unerwartet Veränderungen in meiner äußeren Erscheinung bemerkbar, erste Anzeichen dafür, dass ich mich vom Knaben zum Mann entwickelte, was ich durch sportliche und andere Aktivitäten nach Kräften zu fördern versuchte. Binnen weniger Monate war ich ein ganzes Stück gewachsen und maß plötzlich etwa einen Meter achtzig. Die überzähligen Pfunde, die mich während meiner gesamten Kindheit geplagt hatten, purzelten rapide, als ich es mir angewöhnte, jeden Tag mehrere Meilen um unser Dorf zu laufen, nachdem ich morgens in aller Herrgottsfrühe aufgestanden war und eine Stunde lang im eiskalten Wasser der nahe gelegenen Kaschinka geschwommen war. Mein Körper kam zusehends in Form, und meine Bauchmuskeln traten immer deutlicher hervor. Meine Locken glätteten sich, und mein Haar wurde einen Tick dunkler, von einer an helles Sonnenlicht erinnernden Schattierung zu einem Farbton von ausgewaschenem Sand. 1915, als ich sechzehn Jahre alt war, konnte ich neben Kolek stehen, ohne dass mir der Vergleich peinlich gewesen wäre. Natürlich konnte ich ihm noch immer nicht das Wasser reichen, doch der Abstand zwischen uns beiden hatte sich deutlich verringert.
Und es gab auch Mädchen, die mich mochten, das wusste ich. Es stimmt, es waren nicht so viele wie die, die ein Faible für meinen Freund hatten, aber immerhin. Ich
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