Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Titel: Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
Vom Netzwerk:
war nicht unbeliebt.
    Und die ganze Zeit hindurch schüttelte Asja den Kopf und sagte, dass ich mich davor hüten solle, meinem Freund Kolek nachzueifern, dass dieser nie der große Mann sein werde, den die Leute erwarteten, sondern dass der junge Prinz seinem Heimatort Kaschin über kurz oder lang keine Ehre einbringen, sondern Schande bereiten werde.
    Es war Boris Alexandrowitsch, von dem wir die Neuigkeit erfuhren, die mein Leben verändern sollte.
    Kolek und ich standen am Rande eines Feldes nahe der Hütte meiner Familie, mit nacktem Oberkörper, obwohl es ein frostiger Morgen war, und zerhackten bestens gelaunt einen Stapel Baumstämme zu Brennholz und versuchten dabei nach Kräften, den Dorfmädchen zu imponieren, die an uns vorüberspazierten. Wir waren sechzehn Jahre alt, muskulös und gut aussehend, und während manche Mädchen uns die kalte Schulter zeigten, blickten andere in unsere Richtung und warfen uns ein neckisches Lächeln zu, wobei sie sich beim Lachen auf die Lippen bissen. Sie beobachteten, wie wir unsere Äxte hoch in die Luft schwangen, bevor wir sie mit aller Wucht in den Kern der Holzklötze niedersausen ließen und diese aufspalteten, wobei die Splitter in alle Richtungen stoben wie ein Feuerwerk. Eine oder zwei waren auch kokett genug, um die Sorte von anzüglichen Bemerkungen fallen zu lassen, auf die Kolek sofort ansprach, doch ich besaß noch nicht genug Selbstvertrauen, um mich an diesem Geschäker zu beteiligen – ich genierte mich und blickte lieber woandershin.
    Mein Vater, Daniil, trat aus unserer Isba heraus und starrte uns einen Moment lang an, wobei er erst angewidert die Lippen schürzte und dann den Kopf schüttelte. »Ihr verdammten Idioten«, sagte er, gereizt angesichts unserer Jugend und unserer körperlichen Fitness. »Ihr werdet euch eine Lungenentzündung holen. Oder glaubt ihr Burschen etwa, ihr seid unsterblich?«
    »Mich haut so schnell nichts um, Daniil Wladjewitsch«, erwiderte Kolek, wobei er ihm zuzwinkerte und seine muskulösen Arme ein weiteres Mal in die Höhe hob, damit alle sehen konnten, wie er seine kräftigen Bizepse spielen ließ. Die Axt glänzte in der Luft, ihr makelloser Stahl reflektierte das Sonnenlicht einen Moment lang und sandte eine Folge von schwarzen und goldenen Tupfen aus, die mir vor den Augen herumtanzten, und als ich diesen störenden Effekt wegzublinzeln versuchte, schien mein Freund mit einem Mal von einem prächtigen Glorienschein umgeben zu sein. »Schauen Sie, ich bin stark wie ein Bär!«
    »Mag sein, Kolek Borisowitsch«, sagte mein Vater, wobei er mich anfunkelte, als wünschte er sich, nicht ich, sondern Kolek sei als sein Sohn zur Welt gekommen. »Aber Georgi möchte es dir immer gleichtun, obwohl er nicht so kräftig ist wie du. Wirst du dich um ihn kümmern, wenn er zitternd im Bett liegt, wenn er wie ein Schwein schwitzt und nach seiner Mutter schreit?«
    Kolek schaute mich an und grinste schadenfroh, doch ich sagte kein Wort und fuhr mit der Arbeit fort. Ein paar jüngere Kinder rannten vorbei und kicherten, als sie uns dort erblickten, entzückt von unserer fast schon unanständigen Entblößung, doch als sie dann meinen Vater gewahrten, mit seinem missgebildeten Schädel und seiner allseits bekannten Neigung zu cholerischen Wutausbrüchen, da erstarb das Lächeln auf ihren Lippen, und sie nahmen flugs Reißaus.
    »Willst du noch den ganzen Nachmittag herumstehen und uns zuschauen? Hast du nichts Besseres zu tun?«, fragte ich schließlich, als Daniil keine Anstalten machte, uns unsere Arbeit und unser Gespräch ungestört fortführen zu lassen. Normalerweise redete ich meinen Vater mit einem gewissen Respekt an, nicht aus Angst, sondern weil ich keine Lust auf irgendwelche Auseinandersetzungen hatte. Bei dieser Gelegenheit waren meine aufmüpfigen Worte jedoch eher dazu gedacht, Kolek mit meiner Forschheit zu beeindrucken, als Daniil mit meiner Unverschämtheit auf die Palme zu bringen.
    »Wenn du nicht sofort den Mund hältst, nehme ich dir die Axt weg und hacke dich damit in Stücke, Pascha«, erwiderte er, wobei er einen Schritt in meine Richtung machte und bewusst die Verkleinerungsform wählte, um mir zu demonstrieren, wer der Herr im Hause war. Ich hielt meine Stellung für einen kurzen Moment, doch dann trat ich den Rückzug an und ließ den Kopf hängen. Er übte nach wie vor eine Macht über mich aus, eine Macht, die ich nicht ganz verstand, aber er konnte mich mit einem simplen Wort dermaßen einschüchtern,

Weitere Kostenlose Bücher