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Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Titel: Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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zu schreien?«
    Ich starrte sie an und sagte nichts. Natürlich konnte ich es mir nicht vorstellen. Es sprengte mein Vorstellungsvermögen.
    »Und die ganze Zeit über wird der Junge mal bei Bewusstsein sein und mal das Bewusstsein verlieren, doch meist wird er wach sein und die Schmerzen spüren«, fuhr sie fort. »Er wird am ganzen Körper furchtbare Krämpfe bekommen und zeitweilig im Delirium liegen. Und wenn er nicht von Albträumen heimgesucht wird oder vor Schmerzen laut schreit, wird er seinen Vater oder mich anflehen, ihm zu helfen, doch es gibt nichts, was wir für ihn tun könnten. Wir werden an seinem Bett sitzen, wir werden mit ihm reden, wir werden seine Hand halten, doch wir werden nicht weinen, denn wir dürfen uns vor dem Kind keine Schwäche erlauben. Und niemand kann sagen, wie lange diese Tortur dauern wird. Und weißt du, was außerdem noch passieren könnte, Georgi?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Was denn?«, fragte ich.
    »Er könnte sterben«, erwiderte sie kühl. »Mein Sohn könnte sterben, und Russland hätte keinen Thronfolger mehr. Und das nur, weil du ihm erlaubt hast, auf einen Baum zu klettern. Hast du jetzt verstanden?«
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Der Junge war ein Bluter – er hatte die sogenannte »königliche Krankheit«, ein Leiden, über das ich die Bediensteten im Winterpalais hin und wieder tuscheln gehört hatte, ohne weiter einen Gedanken daran zu verschwenden. Queen Victoria, die verstorbene Königin von England und Großmutter der Zarin, war eine Überträgerin gewesen, und da sie fast alle ihre Kinder und Enkelkinder an europäische Prinzen und Prinzessinnen verheiratet hatte, war diese Krankheit ein schamvoll gehütetes Geheimnis vieler Herrscherhäuser, darunter auch das unsrige. Sie hätten es mir sagen müssen, dachte ich verbittert. Sie hätten mir vertrauen sollen. Schließlich hätte ich mir eher ein Messer ins eigene Herz gestoßen, als zuzulassen, dass dem Zarewitsch auch nur ein Haar gekrümmt wurde.
    »Darf ich ihn sehen?«, fragte ich, und sie lächelte mich kurz an, wobei ihr Gesichtsausdruck etwas milder wurde, bevor sie sich einfach umdrehte und im Schatten des langen Flurs verschwand, in Richtung des Zimmers des Zarewitschs. »Ich möchte ihn sehen!«, schrie ich ihr nach, ohne daran zu denken, wie ungehörig dies war. »Bitte, Ihr müsst mich zu ihm lassen!«
    Doch meine Schreie stießen auf taube Ohren. In einer Umkehrung des soeben Geschehenen entfernten sich die Schritte der Zarin nun, wurden leiser und leiser, bis Stille einkehrte und ich wieder allein war. Ich starrte in den Garten und bedauerte voller Verzweiflung, was ich getan hatte.
    Und in genau diesem Augenblick tauchte Anastasia auf.
    Sie hatte jedes Wort gehört, das zwischen ihrer Mutter und mir gefallen war. Sie musste vorhin, wie ich gehofft hatte, mit einer der Kutschen eingetroffen sein. Sie war wegen ihres Bruders gekommen.
    Und, dachte ich, wegen mir.
    »Georgi«, rief sie, wobei ihre Stimme kaum über ein Flüstern hinausging, aber dennoch über die Hecken und Büsche des Gartens herübergeweht kam und mir wie Musik in die Ohren drang. Ich wandte mein Gesicht in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war, und sah hinter dem dunkelgrünen Buschwerk ihr weißes Kleid im Wind flattern. »Georgi, ich bin es.«
    Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass uns niemand beobachtete, rannte ich nach draußen. Sie erwartete mich hinter einem Gesträuch, und als ich ihr banges Gesicht sah, wären mir beinahe die Tränen gekommen. Ihr Bruder lag zu Tode verängstigt im Bett und machte sich auf qualvolle Wochen gefasst, doch nun, wo sie vor mir stand, schien mich dies nicht mehr zu kümmern, und ich schämte mich ein wenig.
    »Ich habe gehofft, dass du kommst«, sagte ich.
    »Mutter hat uns mitgenommen«, rief sie und fiel mir in die Arme. »Alexei ist …«
    »Ja, ich weiß«, sagte ich. »Und ich bin schuld. Es ist alles meine Schuld gewesen. Ich hätte … ich hätte besser auf ihn aufpassen müssen. Hätte ich gewusst …«
    »Du solltest nichts davon erfahren«, sagte sie nachdrücklich. »Ich habe Angst, Georgi. Halt mich, bitte! Halt mich ganz fest, und sag mir, dass alles gut wird.«
    Ich zögerte keinen Moment. Ich legte meine Arme um sie und drückte ihren Kopf an meine Brust. Dann küsste ich von oben ihr Haar und ließ meine Lippen dort ruhen, während ich den süßen Duft ihres Parfüms einatmete.
    »Anastasia«, sagte ich, wobei ich die Augen schloss und mich

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