Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das heilige Buch der Werwölfe

Das heilige Buch der Werwölfe

Titel: Das heilige Buch der Werwölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
Vom Netzwerk:
gesehen, handelte es sich um eine Betonröhre von etwa einem Meter Durchmesser, die in einen unbefestigten Graben mündete. Nur wenige Schritte trennten die Mündung von der gegenüberliegenden Grabenwand, sodass der Eingang von oben schwer einzusehen war. Drinnen verzweigte sich die Röhre und führte in zwei kleinere Kammern. In einer hing ein Verteilerkasten an der Wand, und es gab sogar eine Lampenfassung, die an einem in die Wand getriebenen Mauerhaken hing. Wahrscheinlich führte hier ein Erdkabel durch.
    Als ich den Ort entdeckte, gab es keinerlei Spuren von Leben darin, nur Reste von Bauschutt und einen Gummistiefel mithalb abgerissenem Schaft. Nach und nach schleppte ich Konserven dort hinein, Gläser mit Honig, vietnamesische Bambusmatten und Wolldecken. Doch es kam kein Krieg, es kam die Perestroika, die Notwendigkeit sich einzubunkern entfiel. Trotzdem habe ich »meinen Bunker« (so nannte ich diesen Ort für mich tatsächlich) auch danach noch gelegentlich inspiziert.
    Die Vorräte waren natürlich längst vergammelt, doch der Ort selbst war unentdeckt geblieben. All die Jahre der Demokratie hindurch hatte nur ein einziges Mal ein Obdachloser sich hier einzunisten versucht, der anscheinend im Delirium durch den Graben gerobbt und dann in das Loch eingebogen war. Ich musste ihn einer harten Hypnoseséance unterziehen, dabei wird der Ärmste außer dieser Höhle noch manches andere vergessen haben, fürchte ich. Danach hängte ich einen Abwehrtalisman in den Eingang, was ich eigentlich lieber vermeide, weil man magische Eingriffe in den natürlichen Lauf der Dinge früher oder später mit dem Leben bezahlt. Aber dieser war minimal.
    Als ich Alexander um ein Versteck bitten hörte, wusste ich sofort, dass dies der ideale Ort für ihn war. Hinzugelangen erwies sich allerdings als Problem: Er lief immer langsamer, musste öfters stehenbleiben, um Luft zu schöpfen.
    Endlich kamen wir am Graben an. Er lag versteckt hinter üppig wuchernden Haselnusssträuchern und irgendwelchen Doldengewächsen, deren Namen ich immer wieder vergaß, sie wuchsen hier in gigantische Höhen, fast baumartig, sodass ich schon fürchtete, irgendwelche radioaktiven oder chemischen Rückstände könnten dafür verantwortlich sein. Alexander kämpfte sich in den Graben hinunter, bückte sich und kroch in das Rohr.
    »Rechts oder links?«
    »Links«, sagte ich. »Ich mach gleich Licht.«
    »Wow, Licht gibts auch. Erste Sahne!«, brummte er.
    Kurz darauf war es geschafft: Ich half ihm, den Mantel auszuziehen, bettete ihn auf die Matten. Erst jetzt bemerkte ich, dass das graue Jackett von Blut getränkt war.
    »Da stecken Kugeln drin«, sagte er. »Zwei oder drei. Kannst du sie rausholen?«
    Zum Glück hatte ich daran gedacht, den Leatherman einzupacken. Eine gewisse Sanitätserfahrung besaß ich auch, gesammelt allerdings vor sehr langer Zeit; damals waren es nicht Kugeln, die ich aus einem Männerkörper hatte entfernen müssen, sondern Pfeilspitzen. Doch war das kein gravierender Unterschied.
    »Gut«, sagte ich. »Aber du darfst nicht schreien.«
    Während der ganzen sich hinziehenden Prozedur gab er keinen Mucks von sich. Einmal nach einer besonders ungeschickten Handhabung des Operationsbestecks wurde sein Schweigen allerdings so lastend, dass ich befürchtete, er starb mir unter dem Messer weg. Doch er langte nur nach der Flasche mit dem Rest Wodka und nahm einen Schluck. Schließlich war ich fertig. Ich hatte ordentlich an ihm herumgeschnippelt, um die drei Silberklümpchen herauszupulen. An zweien waren kleine schwarze Härchen angebacken, und ich begriff, dass er die Schüsse abgekriegt hatte, während er … Ich wusste nicht, wie ich seine neue Gestalt nennen sollte, das Wort Hund kam mir kränkend vor.
    »Fertig!«, sagte ich. »Jetzt bräuchte ich was Steriles zum Verbinden. Bleib hier liegen und ruh dich aus, ich lauf schnell zur Apotheke. Soll ich für dich was mitbringen?«
    »Ja. Kauf Halsband und Kette.«
    »Wie?«
    »Ach, nichts«, sagte er und versuchte zu lächeln. »Nur ein Scherz. Um Medikamente musst du dich nicht kümmern, das heilt von allein. Kauf ein paar Rasierklingen, Rasierschaum. Und Mineralwasser. Hast du Geld?«
    »Ja. Keine Sorge.«
    »Und lass dich ja nicht in der Nähe deiner Wohnung sehen. Auf gar keinen Fall. Sie warten bestimmt schon.«
    »Musst du mir nicht sagen. Aber da fällt mir ein … Michalytsch hat so ein Gerät, mit dem er den Aufenthaltsort ermitteln kann. Über irgendwelche Impulsgeber

Weitere Kostenlose Bücher