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Das heilige Buch der Werwölfe

Das heilige Buch der Werwölfe

Titel: Das heilige Buch der Werwölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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auch Dummheiten anstellen können, wie die Natur sie von uns verlangt.
     
    Wenn die wüssten, was unsere Natur ist!, seufzte ich und strich die Transe wieder aus. Wie der Leibkoch von Großfürst Michail Alexandrowitsch zu sagen pflegte: Mit Butter kann man den Grießbrei nicht verderben – mit Brei die Butter aber schon! … Etwas anderes war gefragt. Nach einigem Nachdenken beschloss ich, Herrin und Sklavin durch Herrin, Sklavin und die Schöne Dame zu ersetzen. Das verpflichtete nicht zu mehr körperlichem Einsatz, nicht einmal im Bereich der Imagination, schuf jedoch neuen Raum für die Phantasie.
    Noch einen Lacküberzug aus klassischer Dichtung vielleicht? Frei nach Alexander Block?
     
    Glücksgefilde, ungekannt,
    taten sich auf in diesen Armen …
    Dann fielen die Arme klingelnd herab …
    Mein Traum war dagegen zum Gotterbarmen!
     
    Oder dasselbe doch besser in lyrischer Prosa:
    In ihren geschnittenen Augen sah er ein neues, wunderbares Glück aufscheinen, und das Klingeln der Reifen an ihren Handgelenken, während sie herabsanken, war lauter als in seinen kargen Träumen …
    Träume, ach … Eine Kurtisane aus meinem Bekanntenkreis in der späten Han-Zeit hatte oft und gern behauptet, die Schwachstelle des Mannes sei sein träumerischer Geist. Im vorgerückten Alter wurde sie einem Nomadenführer als Abfindung überlassen, und der kochte die Arme in Stutenmilch, weil er glaubte, so könnte er ihr zu neuer Jugend verhelfen. Auch eine Schwachstelle kann eben mitunter gewalttätig werden.
    Nein, entschied ich, Block hat hier nichts zu suchen – seine Verse läutern die Seele, wecken in ihr hehre Gefühle. Und sind im Kunden erst einmal hehre Gefühle erwacht, dann ist er für uns verloren, das sagt Ihnen jeder Marktforscher. Also setzte ich anstelle des Nachtigallengartens den folgenden Zweizeiler ans Ende:
     
    Ein tosender Strom, ohne Liebe versieg ich …
    Bereut hat es nie, wer immer bestieg mich!
     
    An solch einem Text konnte man endlos herumfummeln – bei einem wahren Dichter währt dieser Prozess bekanntlich bis zu dem Moment, da ihm der Verleger das Manuskript unter der Feder wegzieht. In diesem Fall musste ich mir das selber antun und beschloss einen Punkt zu setzen.
    Mit der Website nutten.ru hatte ich bis dahin noch nie gearbeitet. Das Verfahren, wie man seinen Text dort an den Mann brachte, unterschied sich nicht von anderen Anbietern der Branche, mit Ausnahme eines leidigen Punktes: Annonce und Fotos wurden getrennt berechnet. Den puren Text zu veröffentlichen kostete hundertfünfzig Dollar, für jedes Foto kamen zwanzig hinzu. Ich hatte drei Web-Money-Karten dabei, die zur Bezahlung akzeptiert wurden: zu hundert, zu fünfzig und zu zwanzig Dollar. Wahrscheinlich richteten sich die Preise überhaupt nach diesen Stufenwerten. Ich konnte also nur ein einziges Foto beigeben – oder hätte auf die Pawelezkaja fahren müssen, um neues Internetgeld zu beschaffen. Ich beschloss, mich mit einem Foto zu begnügen, um es gleich abschicken zu können, ich wollte, dass es schon morgen im Netz hing. Dann dauerte es aber doch seine Zeit – das richtige Foto auszuwählen, brauchte ich eine Stunde.
    Die Wahl fiel mir deswegen so schwer, weil jede Variante die in Aussicht gestellten Dienste auf meiner Liste in ein anderes Licht rückte, Strapon und Fisting mit immer neuen Untertönen umwitterte. Zuletzt blieb ich bei einem alten Schwarzweißfoto hängen: vor einer Bücherwand, mit einem kleinen Band Chodassewitsch in Händen. Es war die Schwere Leier . Das Foto, aufgenommen in den vierziger Jahren, wirkte schön und geheimnisvoll – man meinte einen nostalgischen Abglanz des Silbernen Zeitalters darin zu sehen, was mit dem letzten Punkt der Liste trefflich korrespondierte. Gut, dass ich die kostbarsten meiner alten Negative und Daguerreotypien inzwischen digitalisiert hatte!
    Nun benötigte ich nur noch einen Künstlernamen. Ich ergoogelte eine entsprechende Liste und wählte gleich einen von ganz oben: Adèle. Klang vornehm …
    Das Foto war von guter Qualität, ein Viertel Megabyte groß. Ich klickte auf Send . Mein Lärvchen lächelte ergeben und fuhr durch die Kabel in die Wand, von da in die Telefonleitung, hüpfte durch das elektrische Rückgrat der Straße, verflocht sich mit anderen Namen und Gesichtern, die Gott weiß woher und wohin trieben, und brauste einer fernen Netzschleuse entgegen, auf ein schwach am Horizont sich abhebendes Gebirge aus blau-grauen Überseeservern zu.
     
    Der erste

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