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Das heilige Buch der Werwölfe

Das heilige Buch der Werwölfe

Titel: Das heilige Buch der Werwölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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WTO und den IWF gibt …«
    Ich begann zu vergessen, weshalb ich eigentlich in seiner Wohnung saß, nur die zwischen uns auf dem Tisch liegende Lederpeitsche erinnerte daran. Bald stellte sich heraus, dass Pawel Iwanowitschs Reue absolut war: Sie betraf nicht nur den ökonomischen Aspekt der russischen Reformen, sondern auch die kulturelle Entwicklung der letzten Jahrzehnte.
    »Wussten Sie schon«, fragte er, mir starr in die Augen sehend, »dass die CIA seinerzeit die Beatnik-Bewegung und die psychedelische Revolution finanziert hat? Ziel war es, der Jugend ein attraktives Bild des Westens vorzugaukeln. America has fun! – den Eindruck wollten sie erwecken. Und das klappte so gut, dass sie eine Zeit lang selbst daran geglaubt haben. Der Witz war, dass alle diese Kinder von LSD-Generälen, die KGB probierten und sich Mühe gaben, richtige Beatniks zu sein, in Wirklichkeit am Haken der CIA hingen, also genau die Sünde begingen, derer die Partei sie bezichtigte! Und dabei war das die Intelligenzija von morgen, das Nervensystem der Nation …«
    Wenn Pawel Iwanowitsch von der Schuld der Intelligenz am Volke sprach, gebrauchte er immer zwei verschiedene Ausdrücke, die mir gleichbedeutend vorkamen: Intelligenzija und Intellektuelle. Einmal konnte ich nicht an mich halten, ihn nach dem Unterschied zu fragen.
    »Der ist gravierend«, erwiderte er. »Ich könnte ihn am besten allegorisch erklären. Sie verstehen, was das ist?«
    Ich nickte gnädig.
    »Es gab eine Zeit, Sie waren damals noch ein kleines Kind, da lebten in dieser Stadt hunderttausend Menschen, die ihr Gehalt dafür bekamen, dass sie einem abscheulichen roten Drachen den Hintern küssten. An den Drachen können Sie sich sicherlich nicht mehr erinnern …«
    Ich schüttelte den Kopf. Irgendwann in jungen Jahren hatte ich einmal einen roten Drachen zu Gesicht bekommen, aber wie der ausgesehen hatte, wusste ich nicht mehr – nur an meine Angst vor ihm erinnerte ich mich noch. Ihn konnte Pawel Iwanowitsch schwerlich meinen.
    »Natürlich hassten die Hunderttausend den Drachen von Herzen und träumten davon, dass der grüne Frosch, der gegen den roten Drachen Krieg führte, eines Tages die Herrschaft übernehmen würde. Am Ende haben sie mit dem Frosch gemeinsame Sache gemacht und den Drachen mit einem von der CIA bereitgestellten Lippenstift vergiftet, worauf ein neues Leben begann.«
    »Und was hat die Intelligenzija damit…«
    »Warten Sie's ab!«, sagte er, die Hand hebend. »Zunächst waren alle in dem Glauben, sie hätten unter dem Frosch genau dasselbe zu tun wie vorher, nur fürs zehnfache Gehalt. Doch dann stellte sich heraus, dass statt der hunderttausend Küsser nur noch ganze drei gebraucht wurden, um dem Frosch rund um die Uhr professionell einen zu blasen – einen Achtstundentag für jeden. Und wer von den Hunderttausend zu den dreien gehören würde, das sollte eine offene und faire Ausschreibung klären, wo man nicht nur hohe professionelle Qualitäten unter Beweis zu stellen hatte, sondern auch die Fähigkeit, während der Arbeit ein optimistisches Lächeln im Mundwinkel zu tragen …«
    »Ich glaube, ich hab den Faden verloren …«
    »Der Faden ist der, dass man die Hunderttausend als Intelligenzija bezeichnete, und die drei dürfen sich nun Intellektuelle nennen.«
    Ich habe eine Marotte, die schwer zu erklären ist: Es widert mich an, wenn jemand in meiner Gegenwart vom Blasen spricht, sofern es nicht unmittelbar den Job betrifft. Keine Ahnung, warum das so ist, aber es macht mich rasend. Zudem spielte Pawel Iwanowitschs Vergleich in meinen Augen so dreist auf meine berufliche Tätigkeit an, dass ich glatt vergaß, nach dem Aufpreis zu fragen.
    »Handelt Ihre Allegorie deswegen vom Blasen, damit ich es besser verstehe? Um mir und meiner Lebenserfahrung Rechnung zu tragen?«
    »Wie käme ich dazu, Herzchen!«, sagte er verächtlich. »Ich ziehe diese Termini zur Erläuterung heran, um mir selbst Klarheit zu verschaffen, worum es geht. Das hat nichts mit Ihrer Lebenserfahrung zu tun, sondern mit meiner …«
    Ein anderes Mal nahm er während der Züchtigung eine Zeitschrift zur Hand und fing an zu lesen. Was für sich genommen schon eine Kränkung war. Als er dann auch noch mit dem Finger auf einen Artikel tippte und »Soll doch das Maul halten, der Hund!« brummte, ging mir die Galle über, und ich stoppte die Prozedur – das heißt, ich suggerierte ihm eine Pause.
    »Was ist denn?« Er schaute verwundert auf.
    »Ich frage mich, ob wir

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