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Das heilige Buch der Werwölfe

Das heilige Buch der Werwölfe

Titel: Das heilige Buch der Werwölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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noch was drauflegen soll?« Er sah mich abschätzig an.
    »Du sollst ihn mit Wortgülle zubratzen bis zur Halskrause. In alleraristokratischster Form.«
    »Das geht nicht«, sagte ich. »Beim besten Willen nicht.« »Wieso nicht?«
    »Entweder zubratzen oder aristokratisch. Beides zusammen geht nicht.«
    »Dann nimm das, was geht«, sagte er. »Aber so, dass die Schwarte kracht. Schalte gefälligst deinen Sarkasmus ein, mit dem du mir die ganze Zeit Löcher in die Seele brennst. Soll er doch mal zu was nütze sein.«
    Etwas an seinem Tonfall bewirkte, dass ich mir die Frage, wozu nütze, verkniff. Diese kindische Art, eingeschnappt zu sein, rührte mich, ein Teil von ihr griff auf mich über. Und wenn ich ganz ehrlich bin: Musste man einen Werfuchs zweimal bitten, einen englischen Aristokraten mit Dreck zu bewerfen?
    Ich setzte mich an den Computer und dachte nach. Meine internationalistisch-feministische Ader forderte von mir, die Antwort nach dem Vorbild avancierter Amerikanerinnen um die Phrase Suck my dick herum zu bauen. Doch die Stimme der Vernunft in mir suggerierte, dieses könnte in einem Brief, der Alexanders Unterschrift trug, leicht eine Nummer zu klein geraten. Also schrieb ich das Folgende:
     
    Dear Lord Cricket,
    Being extremely busy, I'm not sure that you can currently suck my dick. However, please feel encouraged to fantasise about such a development while sucking on a cucumber, a carrot, an eggplant or any other elongated roundish object you might find appropriate for that matter.
    With kind regards, Alexandre Fenris-Gray
     
    Dass ich Alexandre und nicht Alexander schrieb, war Absicht, es sollte französisch klingen. Der Nachname Fenris-Gray war eine Eingebung im letzten Moment. Er klang so aristokratisch wie gewünscht. Gut, Earl Gray fiel einem dazu ein, weshalb die Unterschrift ein bisschen nach Bergamotteöl roch. Doch er war ja nur zum einmaligen Gebrauch.
    »Und?«, fragte er.
    Ich übersetzte ihm vom Blatt.
    »Lieber Lord Cricket, ich bin im Moment sehr beschäftigt und darum nicht sicher, ob ich mir von Ihnen, äh, na ja, halt eben den Dingsda dingsen lassen kann. Aber tun Sie Ihrer Phantasie keinen Zwang an, wenn Sie sich ersatzweise an einer Gurke, Möhre, Aubergine oder ähnlich geeigneten Objekten länglich-rundlicher Art versuchen. Mit Hochachtung, Sascha Sery.«
    »Geht es nicht ohne Hochachtung?«
    »Dann ist es nicht aristokratisch.«
    »Von mir aus schick es so ab«, seufzte er. »Und komm zu mir, wenn du fertig bist. Der Graue Wolf hat mit dem Rotkäppchen was zu bedingsen.«
    »Worum geht's denn?«
    »Ach, ich plane ein … Kolloquium zur Psychoanalyse des russischen Volksmärchens, weißt du. Da geht es darum, mit einem Kuchen dem Rotkäppchen in den Korb zu treffen. Leider gibt es nur einen einzigen Kuchen. Den müssen wir darum immer wieder rausnehmen und neu reinwerfen.«
    »Puh, du bist schon wieder so vulgär …«
    »Kommst du rüber, oder soll ich kommen?«
    »Ich komm schon. Aber lass es uns kurz machen, versprochen? Wir müssen nämlich los. Und heute beißt du mir gefälligst nichts kaputt, hörst du? Ich hab mir die Sohlen abgelaufen, um neue Slips zu kriegen. Mir passt schließlich nicht jeder.«
    »Schon recht.«
    »Und noch was. Solange du noch reden kannst …«
    »Was denn?«
    »Warum musst du in alles, was du sagst, immer diese selbstzufriedene Apologie militanter Unbildung einflechten?«
    »Was soll das jetzt wieder heißen?«
    »Na, gerade eben zum Beispiel, das übers Rotkäppchen und die Psychoanalyse. Manchmal kommt es mir so vor, als wolltest du in meiner Person alle Kultur und Geschichte ficken …«
    »Mit Kultur könntest du Recht haben, aber Geschichte? Spielst du jetzt die Sphinx oder was? Wie alt bist du überhaupt, sag mal? Wenn ich schätzen müsste, ich gäbe dir höchstens sechzehn. Aber wie alt bist du wirklich?«
    Ich spürte meine Wangen glühend heiß werden.
    »Ich?«
    »Ja, du.«
    »Also weißt du«, fiel mir ein, »ich hab da mal ein Gedicht in die Hand bekommen, das hat ein Staatsanwalt des Justizministeriums geschrieben und in kleiner Auflage verbreitet, da ging es um einen jugendlichen Kämpfer fürs Vaterland, das Gedicht fing an mit der Zeile: Ich gäb ihm keine fünfzehn Jahre …«
    »Klaro! Sohn des Regiments wurden solche damals genannt … Aber was soll das jetzt?«
    »Na ja. Wenn einer wie du, in dieser Uniform, sich hinstellt und sagt: Ich gäbe dir höchstens sechzehn, da fragt man sich doch gleich, nach welchem

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