Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
Vom Netzwerk:
er gefunden haben mußte, waren sehr eifrig gewesen.
    Ite-ska-wih und Hetkala fühlten sich übermüdet, als sie bei Wasescha und Tatokala in dem Hüttchen aus Blech und Brettern anlangten. Die Freude über den Inhalt ihrer Säcke war bei den Belagerten sehr groß, doch die beiden Frauen genossen sie nicht mit. Sie waren erschöpft. Hanska fühlte nach Ite-ska-wihs Herzschlag und strich sanft über ihre ausgekühlte Brust. Tatokala kochte Kaffee; Ite-ska-wih nippte an dem Becher.
    »Warum hat es bald ein Ende?« flüsterte sie vor sich hin. »Warum?«
    Wasescha horchte auf. Was meinte Ite-ska-wih mit solchen Worten? »Sie werden mit uns verhandeln«, sagte er laut und bestimmt. »Sie haben es uns wissen lassen. Hau.«
    Ite-ska-wih legte den Kopf zur Seite; sie schien einzuschlafen oder das Bewußtsein zu verlieren. Hanska bettete sie wärmer und weicher und wachte bei ihr, bis Hetkala ihn ablöste.
    Am Morgen schaute Ite-ska-wih verwundert um sich, bis sie begriff, wo sie war. Es fauchte kein Wind um das Hüttchen, es trommelte kein Regen darauf; durch die Ritzen schimmerte freundliche Helligkeit. Hetkala saß bei ihr und bot ihr Kräuter, die sie kauen konnte und die ihr wohltaten. Der Husten klang milder.
    Draußen waren die Männer lebhaft; sie liefen schnell umher, sprachen und riefen.
    »Ite-ska-wih«, sagte Hetkala und lächelte dabei froh und gut. »Wir haben gewonnen. Niemand von uns braucht mehr zu sterben. Sie verhandeln mit uns über die Verträge. Wir werden unser Recht haben.«
    Ite-ska-wih schaute in Hetkalas Augen. Sie sagte nichts, aber in ihrem blaß und mager gewordenen Gesicht stand die Frage, ob sie denn nun träume oder wache. Hatte Hetkala wahrhaftig gesagt: »Wir haben gewonnen«? Wir Kleinen, wir wenigen, wir Schwachen… haben gewonnen? Unsere tapferen, aufrechten, hungernden Männer sind zugleich die Klugen und Siegreichen gewesen? Sie haben alles gewagt; die Tommeln wurden geschlagen, wir alle haben gesungen vom Leben des Indianers. Nun leben wir. Unsere Erde wird wieder unser sein.
    Ite-ska-wih richtete sich auf. Ihre Lippen hatten sich geöffnet, aber sie konnte noch kein Wort formen.
    Wasescha, Hanska-Mahto, Rote Krähe kamen herein. Sie bestätigten die gute Botschaft. Am nächsten Tag schon konnten die Anführer der Indianer mit den Bevollmächtigten des Großen Vaters in Washington sprechen.
    Gewonnen.
    Ite-ska-wih hielt es nicht mehr zwischen Blech und Brettern. Sie stand auf und lief vor die Hütte, um Himmel und Prärie zu sehen, um alle die Männer zu sehen, die aus vielen Stämmen gekommen waren und gesiegt hatten. Nach mehr als zwei Monden der Gefahr, der Schüsse, der Krankheit, des Hungers, des Todes waren sie frei. Sie hatten mutig und richtig gehandelt und konnten die Sache der Freiheit des Indianers vertreten. Daß sie nicht zusammengeschossen worden waren, das war der erste Sieg gewesen. Daß die Mächtigen mit ihnen verhandelten, das war der zweite.
    War noch ein dritter Sieg notwendig?
    Ite-ska-wih genoß den zweiten. Sie selbst bemerkte nicht mehr, daß sie noch hustete; sie hatte so viel anderes wahrzunehmen. Man brauchte sich ja nun nicht mehr zu verstecken und vor überraschenden Geschossen zu hüten. Man konnte frei umhergehen und sich umschauen. Ite-ska-wih entdeckte die drei Männer, die dem Rufe Inya-he-yukans gefolgt und aus der großen Stadt in die Prärie gekommen waren, um für das Recht der Indianer einzustehen. Alice hatte sie hereingeschleust. Sie schmunzelten jetzt; sie freuten sich, Ite-ska-wih wieder zu begegnen. Der junge Mann aus den Woodmountains, aus Vater Beavers Sippe, fand Ite-ska-wih; auch er frohlockte; sein Gesicht, seine Hände, seine Füße, alles an ihm war in Bewegung und drückte bewegte Freude aus. Ein großes Hallo gab es, als Morningstar junior mit Yvonne samt Vater Krause auftauchte.
    Der Zugang zur Hügelkuppe war also für die, die Bescheid wußten, schon recht frei, unbehindert.
    »Ihr seid hier!« rief Hanska. Ite-ska-wih bemerkte, daß ihr Mann die schwarzen Kleider Inya-he-yukans abgelegt hatte und wieder wie gewohnt umherlief. Ray mußte ihm die Jeans und das bunte Hemd durch Hetkala geschickt haben.
    Hanska wollte vor allem wissen, ob Nachricht über die Zwillinge gekommen sei. Krause senkte den Kopf. »Scheint noch nicht entschieden zu sein. Aber Ball bemüht sich, und jetzt wird ja alles leichter! Alles wird leichter. Der Präsident der USA verhandelt mit euch. Niemand darf euch mehr als Verbrecher ansehen! Jetzt sind in

Weitere Kostenlose Bücher