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Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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verlangen, daß der tote Pedro ausgegraben, auf die Reservation gebracht und sein Tod untersucht wird. Bei seinem Begräbnis sind wir alle dabei. Der Killerchief hat mir verboten, die Reservation zu betreten. Aber ich werde kommen.«
    Auch Ite-ska-wih dachte nach und erinnerte sich an alles, was Wasescha und Hanska ihr aufgetragen hatten. »Wer soll für uns sprechen, wenn wir unser Verlangen vortragen?«
    »Ihr wählt eine Gruppe der Sprecher.«
    »Und was sagen sie?«
    »Drohungen sprecht ihr nicht aus; ihr laßt sie nur verdeckt umlaufen. Offen werden wir um unser Recht klagen, das wir auch nach den Gesetzen der Weißen haben. Meine Freunde sind verständigt. Du bist ja nicht die erste, die zu mir kommt, Ite-ska-wih.«
    Als Helles Gesicht nicht antwortete, sondern wartete, ergänzte er: »Wendet euch an die Morning Stars. Jetzt sind sie dabei.«
    »Die Killer morden weiter. Müssen wir uns nicht wehren?«
    »Mit Guns? Ja, aber nur gegen die Killer, wenn sie angreifen.«
    »Munition für uns?«
    Der Mann lächelte. »Zäh bist du. Ich höre Wasescha und Hanska. Aber hier erhalten wir keine Munition mehr. Aus anderen Bundesstaaten ist der Bezug für uns gesperrt. Wir kommen dann eben ins Gefängnis. Spart mit jedem Schuß.«
    Das Gespräch endete in einem langen Schweigen. Der Mann nahm sich die Zeit, mit Ite-ska-wih zusammen noch auf dem Vierkantholz zu sitzen und das Nachdenken ausklingen zu lassen.
    Schließlich erhob er sich, nickte Ite-ska-wih zu und ging in das Haus. Er war so wortkarg, wie Wasescha ihn geschildert hatte. Sie fühlte sich sicher bei ihm; auf diesen Mann war Verlaß. Wasescha und Hanska sollten so rasch wie möglich seine Worte erfahren. Selbst auf die Reservation zu kommen, hatte der Killerchief ihm verboten. Aber bei Pedros Begräbnis wollte er dasein. Pedro, der Mann des Bürgerrechts, war Stellvertreter für die vielen Ermordeten, denen ihr Recht nicht wurde.
    Ite-ska-wih war nicht niedergeschlagen. Aber es war ihr zumute, als habe sie mit den Wahrheiten, die sie gehört hatte, eine bittere Frucht gegessen, die stärkende Medizin war. Sie stellte sich darauf ein. Ihre eigenen drei Punkte waren: Zuerst mußten alle, die noch Indianer waren, wieder enger und fester zusammenrücken. Das zweite war, für das Recht des Indianers mehr Freunde zu gewinnen, die nicht nur redeten, sondern wenigstens ihr eigenes Gesetz nach Recht und Gesetz anwandten und einen Killer als Mörder bestraften. Das dritte war, Munition zu sparen und sie sich heimlich zu beschaffen, um zu überleben. Ite-ska-wih hätte gern mit dem letzten angefangen. Aber da war die einzige Hoffnung, die sie kannte, Krause, und Krause wohnte weit weg – wenn man zu Fuß gehen mußte. So viel Zeit konnte sie an diesem Tag nicht aufwenden. Sie mußte sich nach einem Wagen oder einem Reiter umsehen, der sie zurückbrachte. Margret besaß einen alten Ford, den ihr Inya-he-yukan geschenkt hatte, und Ite-ska-wih hatte ein paar Dollars bei sich, mit denen sie das Benzin bezahlen konnte. Sie machte sich zu den Slum-Hütten auf. Für die Kinder kaufte sie ein Tütchen Nüsse.
    Sie wurde von Margret mit gewohnter gastlicher Heiterkeit empfangen, die auch Ite-ska-wih nun schon als eine Maske zu durchschauen begann, die ein Leben voller Kummer und Last deckte. Ite-ska-wih, die in den Stadt-Slums aufgewachsen war, kannte sich im Armeleute-Leben aus und hatte mit Margret gleich eine natürliche Verbindung gehabt. Die Hütte mit den Fensterchen, durch die etwas von Prärieluft hereinwehte, erschien ihr zudem hundertmal besser als der stinkende Keller in einer stinkenden Straße.
    Was den Wagen anbetraf, so hatte Margret allerdings Bedenken.
    »Mein Mann ist nicht da. Ich fahr’ schlecht; es reicht grad bis zum Braunen. Meinem George geb’ ich den Wagen nicht für die Fahrt zu Waseschas Zelt. Der Weg ist zu einsam. Warum hat dir denn Hanska kein Pferd gelassen?«
    »Er wollte nicht, daß ich allein unterwegs bin. Wegen der Killer.«
    »Es ist wahr; mit denen ist es noch viel schlimmer geworden, seit die Aufständischen aufgegeben haben. Der Chief rächt sich. Pedro ermorden! Das ist eine ruchlose Tat. Dunkle und blutige Gründe, sagten sie früher einmal zu dieser Gegend. Wir haben sie wieder.«
    »Ja.«
    »Hast du keine Freunde in der Agentursiedlung?«
    »Doch. Yvonne Morning Star.«
    »Also gut. Bis dahin kann George dich fahren. Die Fahrprüfung hat er in der Schule gemacht. Er ist ja schon vierzehn.«
    Margret schickte zwei der Kinder los; sie

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