Das helle Gesicht
sollten George suchen. »Er steckt doch wieder im Organisationshaus«, sagte sie dabei, »heute sicher.«
Die Kinder verschwanden im Dauerlauf; George kam in noch schnellerem Tempo zu Hause an. Nichtsdestoweniger hatten die Wege Zeit gekostet. George machte den Wagen fertig und startete. Ite-ska-wih saß neben ihm.
»Sieh zu, George«, warnte die Mutter noch durchs Fenster, »daß du die Nacht über in der Siedlung bleibst. Nachts sind die Killer unterwegs. Bye!«
Der alte Ford tat noch seine Pflicht und ratterte die asphaltierte Straße in Richtung Reservation und Agentursiedlung.
Als das Gasthaus an der Straßenkreuzung passiert und die Reservationsgrenze erreicht war, sagte George zum erstenmal etwas zu seiner Mitfahrerin.
»Ich gehör’ nämlich auch zu denen.«
»Ja?«
»Ich mein’, denen der Killerchief verboten hat, auf die Reservation zu kommen. Wenn sie mich kriegen, ist’s aus mit mir. Wir fahren von jetzt ab nicht die Straße, sondern im Bogen herum; das letzte Stück kannst du laufen, ist dann nicht mehr weit.«
»Gut«, meinte Ite-ska-wih nur. Sie empfand nicht einmal Angst. Es tat ihr wohl, daß George sie selbstverständlich mit zu »denen« rechnete, die Freunde waren.
Da in New City viel Zeit verlorengegangen war, gerieten George und Helles Gesicht bei ihrer Fahrt in die Abenddämmerung hinein. Mit den Seitenwegen, die er fahren mußte, kannte sich George gut aus; er fuhr sie sicher nicht zum erstenmal. Das Steuer handhabte er gewandt. Ite-ska-wih wunderte sich nicht darüber. Er war vierzehn wie sie selbst. Mit vierzehn war man erwachsen, wenn das Leben einen genügend gebeutelt hatte und man mit zwölf bereits zum Schulabgänger geworden war.
George hielt bei einer Baumgruppe.
»Steig schnell aus und husche geradeaus. Da kommst du zur Siedlung, ziemlich genau zu Yvonne. Bye!«
»Danke.«
Ite-ska-wih folgte der Beschreibung. Sie fand einen Pfad, der ihr die Richtung wies.
Was George gesagt hatte, stimmte. Als sie zwanzig Minuten gerannt war, stand sie im nächtlichen Dunkel hinter Yvonnes Haus.
Sie nahm sich zehn Atemzüge Zeit, um ihr Keuchen abklingen zu – lassen, und schlenderte dann zum Hauseingang. Dreimal Klopfen war das Zeichen. Morning Star junior öffnete selbst und ließ den Gast sofort ein. Yvonne begrüßte Ite-ska-wih herzlich.
»Wie hast du es geschafft?«
»Mit Margrets Auto. Hinten herum.«
»Sehr gut. Hanska war schon da. Er kommt nachher wieder.«
»Woher weiß er…?«
»Er hat eben den sechsten Sinn. Wo solltest du denn auch sonst landen. Hast du den Führer von uns Indianern gesprochen?«
»Ja.«
»Davon erzählst du, sobald Hanska hier ist.«
Yvonne brachte einen Teller Abendessen. Ite-ska-wih mußte sich Mühe geben, zu trinken und zu essen. Der schnelle Lauf am Ende eines langen Tages hatte sie mitgenommen.
»Wie geht es Percival?« fragte sie, als Yvonne abräumte.
Yvonne antwortete mit einer müde-verzweifelten Handbewegung. Ite-ska-wih ließ ihre Frage wortlos weiterwirken.
Yvonne entschloß sich, etwas zu sagen. »Die Wunde ist fast verheilt. Aber ein Auge ist verloren, und er ist entstellt. Wir haben kein Geld für eine Schönheitsoperation von fünftausend Dollar Arzthonorar aufwärts. So trägt er seine Verbände weiter. Er ist jetzt daheim, bei den Eltern. Ohne Arbeit.«
Ite-ska-wih begann jenen Haß zu empfinden, der von Untschida Besitz genommen hatte, den Haß der Wehrlosen, Mißhandelten.
»Er muß eine Frau finden«, schloß Yvonne. »Vielleicht Margrets älteste Tochter. Die beiden lieben sich. Sie wird ihn nicht verlassen. Aber er braucht Zeit, bis er sich ihr zeigt – so, wie er jetzt aussieht.«
Ite-ska-wih konnte sich auf die Bank legen. Ohne es zu wollen, schlief sie ein. Doch wurde sie sofort wach, als die Tür ging. Hanska kam. Er freute sich, und sie freute sich auch auf stille Weise.
Man setzte sich zusammen.
Ite-ska-wih gab alles, was sie gehört hatte, wörtlich wieder, auch, daß die Morning Stars jetzt »dabei« seien.
»Das ist wahr«, sagten beide. »Es ist nicht mehr zu ertragen. Auch Vater denkt so.«
»Wen wählen wir?« fragte Hanska. »Wer geht zum Superintendent und verlangt Pedros Exhumierung? Wenn kein Verfahren stattfindet, gehen unsere jungen Leute wirklich in die Black Hills und verschießen ihre letzte Munition.«
»Meinen Vater Morning Star wählen wir, der schon jahrelang im Stammesrat arbeitet und dreimal zur Wahl als Chief-President aufgestellt war – den großen indianischen Rancher
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