Das helle Gesicht
besuchen; dort ist Hanskas kleinster Bruder.«
»Richtig. Oder du ruhst dich bei uns hier aus.«
»Danke. Ich bin nicht müde.«
Ite-ska-wih verabschiedete sich.
Sie verließ das Museum, ging aber nicht weg, sondern setzte sich an der fensterlosen Hinterfront des Museums ins Gras und schaute nach den Ausläufern der Black Hills. Das Museum war von einer kleinen Gartenanlage umgeben, von der Straße etwas abgerückt, die einstöckigen Häuser rings ließen den Blick frei.
Ite-ska-wih fand an diesem Platz Ruhe genug, um in sich hineinzugehen. Sie wollte nicht abgelenkt werden, nicht solche Worte wie Kaffee und Naturkunde hören, nicht solche Nebensächlichkeiten an sich heranschwemmen lassen, die auch mit Oisedas Wesen nicht zusammenklingen konnten; sie wollte träumen. Die Schwarzen Berge, die ihr Blick erreichte, waren die alte Heimat des Stammes, von Sagen umgeben, mit dem Glauben an die Ahnmutter, die Große Bärin, verbunden, Grabmal Inya-he-yukans. Ite-ska-wih war ganz bei dem großen Toten, dem ermordeten Häuptling der Prärie, Hanskas Wahlvater. Sie hatte ihn noch lebend im Schmuck der Adlerfedern gesehen. Sie trennte sich nicht von ihm, bis die Sonne anzeigte, daß wieder eine Stunde vergangen war und Ite-ska-wih sich aufzumachen hatte.
Das weiße Holzhaus kannte sie schon; sie war mit Hanska dort gewesen, als sie zum erstenmal New City und das Museum aufsuchte. So fand sie den Weg dahin ohne Schwierigkeiten. Als sie ankam, brauchte sie nicht um Einlaß zu bitten. Vor dem Hause, auf einem Holzbalken im Gras, saß der Mann, den sie suchte. Er stützte die Arme auf die Knie und hielt den Kopf gesenkt. Sie hatte ihn noch nie gesehen, auch kein Bild von ihm und erkannte ihn doch sofort und ohne jeden Zweifel. Er trug das schwarze Haar gescheitelt, in zwei Zöpfe geflochten, um den Hals die Kette mit dem altindianischen Medaillon. Sonst hatte er keinerlei Symbole oder Auszeichnungen angelegt. Seine Kleidung bestand aus dem bunten Hemd und der Arbeitshose, wie Hirten und Arbeiter sie trugen.
Auch im Sitzen wirkte er sehr groß. Er war breitschultrig und kräftig. Sein braunhäutiges Gesicht war klar, ernst; körperliche, geistige, seelische Belastungen hatten darauf gewirkt. Er war mehr als einmal durch den Sonnentanz gegangen und mehr als einmal angeschossen worden. Er lebte noch; er hatte einen guten Schutzgeist. So hatte Hanska ihr gesagt.
Daß Ite-ska-wih ihn gerade an diesem entscheidenden Tage traf, gehörte zu den Geheimnissen.
Er schien Ite-ska-wih nicht zu beachten, und doch wußte sie, daß er sie ebenso bemerkte und erkannte wie sie ihn. Man mußte ihm auf Oisedas Ankündigung hin gesagt haben, daß sie kam. Sie blieb stillschweigend in seiner Nähe stehen. Er hob den Kopf und bat sie mit einem Blick, zu ihm heranzukommen und sich zu setzen. Sie ließ sich neben ihm auf dem Balken nieder. Er richtete die Schultern auf und schaute nun freundlich auf sie herunter.
»Also sprich«, sagte er. Er hatte einen Klang in der Stimme, der kräftig war wie seine ganze Erscheinung.
Ite-ska-wih berichtete erst stockend, allmählich sprach sie sich frei. Sie schloß mit der Mitteilung, daß Robert junge Männer sammeln wolle, um in den Black Hills die Touristen zu verfolgen, bis die Polizei den ermordeten Pedro wieder ausgegraben und auf die Reservation gebracht habe. Die Mörder müßten bestraft, der Mord gesühnt werden. Von jetzt an gerechnet in zwei Tagen wollten die Rächer unter Führung Roberts bei Wasescha im Zelt zusammenkommen, um die letzten Beschlüsse zu besprechen. Sie hatten Waffen.
»Und nun haben sie dich geschickt?« Der Frager sagte es nicht mit Ironie; er sprach mit Achtung.
»Wasescha und Hanska haben mich geschickt. Wir sind so wenige, und sie haben nicht gewußt, daß du hier bist.«
»Wasescha und Hanska – Inya-he-yukans Wahlsohn. Gute Namen. Was werdet ihr endgültig beschließen?«
»Das wissen wir erst, wenn wir deinen Rat gehört haben.«
Der Mann schloß die Lippen fest und dachte nach.
»Drei Dinge muß ich dir sagen«, fing er dann an. »Ich denke, du bist verständig und wirst sie weitergeben. Das erste ist: Mit dem Gewehr können wir nicht siegen. Wir sind wenige arme Leute, wohnen ganz verstreut und haben keine Rüstungsfabriken. Das zweite: Wir können nicht streiken, denn die meisten von uns sind keine Fabrikarbeiter. Die meisten sind arbeitslos. Das dritte: Wir sind aus dem Ring auseinandergelaufen; wir müssen wieder zusammenfinden. Zusammen müssen wir
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