Das helle Gesicht
antwortete jetzt Hanska. »Zu wenig.«
Die beiden jungen Männer standen rechts und links der Appalousastute und sprachen über den Pferderücken hinweg miteinander.
»Zu wenig, ja!« rief Ray. »Wann bildet ihr endlich eine Gang? Wie oft soll ich dir das noch sagen? Eine, die mit den Killern aufräumt. Wollt ihr noch warten, bis ihr endlich alle abserviert seid? Waschlappen seid ihr. Eingezogene Kojotenschwänze! Wasescha! Wer hat Robert gerächt?«
»Zweifelst du daran?«
»Nein. Wenn aber einer mit vieren fertig wird, sollten wir wohl alle zusammen mit den übrigen fertig werden. Robert hat mir Bescheid gesagt. Das war mein Mann. Die Schweine!«
»Dir allein Bescheid gesagt oder auch anderen?«
»Zuerst mir.«
»Und du?«
»Ich frage dich, Hanska, weil du mein Boss bist.«
»Wasescha ist fortgeritten. Er wird eine Nachricht mitbringen.«
»Sicher?«
»Wenn er lebend zurückkehrt, ja. Tags greifen sie ihn vermutlich nicht an.«
»Feine Sicherheit habt ihr, feine. Einer der Killer hat übrigens schlapp gemacht; der ist abgehauen samt seinem Sohn.«
»Der große Polizist etwa?«
»Ja, der große. Er mag nicht mehr. Sie haben ihm sagen lassen, daß sie seinen Sohn umbringen, wenn er nicht pariert. Da ist er verschwunden. Mit dem Jungen.«
»Hast du ihn gesprochen?«
»Ich nicht. Bob.«
»Er hätte etwas von meiner Mutter wissen können.«
»Weiß er. Aber er sagt nichts. Hat verdammte Angst. Sogar außerhalb der Reservation.«
Hanska bat Ray in das Zelt herein. Die Burschen rauchten beide eine Zigarette.
»Bob gibt übrigens keine Ruhe«, erzählte Ray. »Du sollst Cowboy bei Rufus Myer werden. Er gibt vielleicht auf. Dann ist es besser, du sitzt schon im alten Blockhaus.«
»Unter einem neuen Chief-President? Dann – ja. Wie denkt denn der alte Bighorn jetzt, der Nachbar im Tal?«
»Gar nichts denkt er. Er säuft weiter, der Kriegsinvalide mit den neun Kindern.«
»Du weißt immer alles, Ray. Wie kommt das nur zustande?«
»Ich habe in Chicago gelernt, mein lieber Hanska. Nicht für die Schule, nicht fürs Leben – fürs Überleben.«
»O. k. Ray. Du wartest also mit mir auf Waseschas Nachricht.«
»Könnte ich sie nicht holen?«
»Wenn’s zu lange dauert, ja.«
Ite-ska-wih freute sich über den Besuch ihres Bruders auf eine halb verborgene Weise, mit der Sehnsucht, getreue, tapfere Menschen um sich zu haben, zuverlässige Freunde wie Hanska.
Sie begann dabei zu fühlen, wie schwer es war, standhaft dem Rate zu folgen, den die Gruppe im Stamm, die noch eine wahrhafte Stammesgruppe war, durch die Botin Ite-ska-wih von dem erfahrenen Manne in New City erhalten hatte. Ehe sie von Roberts Ermordung und von der Morddrohung gegen Margot etwas gewußt hatte, war es leichter gewesen, diesen Rat hochzuhalten. Ite-ska-wih war in der großen Stadt aufgewachsen, wo sie gelernt hatte, daß jedem Mord an einem Gangmitglied die Blutrache folgte, und wo ihr Bruder Ray unerbittlich nach, diesem Grundsatz gehandelt und sich Achtung verschafft hatte, als er eines Tages den Mörder seines Vaters tötete.
Die Polizei der großen Stadt hatte sich von jener Straße ferngehalten, und die Polizei der Prärie würde jetzt von der Rache an den Killern nichts erfahren; niemand würde auch nur nachforschen, so wenig wie nach Robert und seinem schrecklichen Tod. Das Hospital schwieg, der Sumpf schwieg auch. Es war Krieg im Stamm, geheimer Bürgerkrieg, grausiger, weil er geheim geführt wurde.
Pedros Tod mußte aufgedeckt werden, mit Pedros Tod mußte sich etwas ändern. Ite-ska-wih wollte mit Hanska bei denen sein, die etwas änderten. Neuer Mut war nötig. Ite-ska-wih wollte ihn aufbringen.
Am Abend kam Wasescha zurück.
Er brachte gute Nachrichten.
Der Superintendent, oberster Beamter der durch Regierungsgewalt eingesetzten Reservationsverwaltung, den er mir Morning Star und Whirlwind zusammen aufgesucht hatte, war mit den Methoden, mit denen der Killerchief seine Ziele durchsetzen wollte, nicht in allem einverstanden. Er hatte auf die Vorstellungen der drei angesehenen Männer die polizeiliche Untersuchung der Umstände von Pedros Tod, die Exhumierung und Untersuchung der Leiche und die Beerdigung auf der Reservation sofort angeordnet. Der Killerchief hatte allerdings jegliche Ansammlung von Personen, die nicht zum engsten Familienkreis gehörten, bei der Beerdigung verboten. Man würde ja sehen, ob er dieses Verbot durchsetzen konnte. Entscheidend war, daß zum erstenmal ein Mord in diesem Bürgerkrieg
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