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Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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bebauen, keine Industrie entwickeln – nichts als jagen und herumvagabundieren. Wollen Sie mir das einmal erklären?«
    »Wasescha würde Ihnen auf diese Frage besser antworten können als ich, Sir.«
    »Aha, nun geht es mit den Redensarten nicht weiter.«
    »Ich weiß nicht, ob Sie mein Volk mit Ihrer Frage beleidigen wollten. Ich hatte nur die Absicht zu sagen, daß ich in den Schulen der Weißen nicht genug von Indianer-Geschichte gelernt habe, um Ihnen zu antworten. Aber Wasescha war Collegestudent; er hat mehr Möglichkeiten gehabt. Ich kann nur nach einzelnem urteilen, was ich gesehen und gehört habe. War die King-Ranch, die Sie übernommen haben, in schlechtem Zustand?«
    »Genau richtig«, rief der Sohn. »Diese Ranch war gut geführt. Der ganze Rassismus, von beiden Seiten, ist überhaupt unsinnig. Die Tüchtigen sollten sich zusammentun und die Taugenichtse ausschalten.«
    »Machen Sie das in Ihrem Volk so, Sir?«
    »Finden Sie etwa, daß wir das nicht so machen?«
    »Ja, Sir.«
    »Und woher haben Sie diese Erfahrung?«
    »Aus Chicago.«
    »Chicago? Donnerwetter. Wir leben aber in der Prärie. Da gelten andere Gesetze.«
    »Ja, Sir. Zum Beispiel auch indianische. Wir müssen sie wiederherstellen. Auch die Weißen müssen die Verträge wiederherstellen.«
    »Das schlagt euch mal aus dem Kopf. Die Prärien, die in unserer Hand sind, kriegt ihr niemals wieder. Das ist die Ausgangsbasis aller Verhandlungen.«
    »Und die Prärie, die noch nicht in Ihrer Hand ist, wollen Sie uns die auch noch nehmen?«
    »Was heißt nehmen? Wieso nehmen? Wir können doch auf Ihrem Land Pachtverträge mit Ihrer Reservationsregierung abschließen, oder nicht?«
    »Sie haben abgeschlossen.«
    »Na also.«
    »Stonehorn King ist nicht für tot erklärt, Queenie King auch nicht. Die unmündigen Kinder werden heranwachsen. Was dann?«
    »Kleine juristisch gebildete Lady! Steckt da ein Collegestudent und Lehrer dahinter? Wie hieß er doch?«
    »Wasescha. In Ihrer Sprache Hugh Mahan.«
    »Hugh Mahan!« rief Joan. »Ihn kenne ich natürlich. Er wohnt also noch am alten Platz. Ein hochintelligenter und tüchtiger Mann.«
    »Sage ich doch«, wiederholte Myer junior. »Rassismus ist Blödsinn. Die Tüchtigen müssen sich zusammentun. Ich und Bob, mit uns beiden funktioniert alles. Wenn sich ein King wiedersehen lassen sollte, wird man sich auch einigen können. Indianer sind Amerikaner, wir sind Amerikaner. In diesem Sinne! Junge Lady, sorgen Sie dafür, daß Joan den Grauschimmel zurückerhält. Nehmen Sie sie mit zu dem Grauschimmel, sobald alle etwas Vernünftiges gegessen haben.«
    Eine kräftige Mahlzeit wurde aufgetragen. Ite-ska-wih nahm nicht viel. Familie Myer sollte nicht den Eindruck haben, daß hungrige Indianer fressen. Als abgegessen war, fragte Myer junior: »Da Sie sich auskennen, liebe Lady, wissen Sie vielleicht auch, wer der Cowboy ist, der den hervorragenden Scheckhengst besitzt?«
    »Das ist Hanska Bighorn. Mein Mann.«
    »Ihr Mann –?«
    »Ja, Sir.«
    »Sie müssen ihn herschaffen. Das ist ja eine ausgezeichnete Chance.«
    »Für wen, Sir?«
    »Für mich natürlich und für ihn natürlich auch.«
    »Ich werde meinem Mann davon sagen. Er ist aber ein Wahlsohn der Kings und glaubt an das Große Geheimnis und an das Lebensrecht des Indianers.«
    »Mir doch egal. Hauptsache, er macht aus meinen Pferden ausgezeichnete Pferde. Sie können mit ihm zusammen hier wohnen.«
    »Zum Beispiel in dem alten kleinen Blockhaus?«
    »In dem Geräteschuppen? Na bitte, wenn Ihnen das Spaß macht?«
    »Und wir bekommen eine Pacht an Weideland für unsere Pferde?«
    »Nun höre sich das einer an. Da wollen die Leute behaupten, Indianer seien nicht geschäftstüchtig. Wie viele Pferde besitzen Sie denn?«
    »Im Augenblick drei. Den Scheckhengst, eine Appalousastute und einen Braunen.«
    »Und was ist mit dem Schecken, mit dem Sie hergeritten sind?«
    »Geliehen.«
    »Ach so. Also Hauptsache, Ihr Mann läßt mal mit sich reden.«
     
    Ite-ska-wih und Joan machten sich auf den Weg. Joan hatte ihren Wagen aus Kanada dabei, ein kleines Sportcoupe, das sie bis zur Agentursiedlung so langsam laufen ließ, daß der Schecke mitkam. Sie brachten das Tier zu Yvonne zurück, bei der sie auch übernachten konnten, und brachen in der Frühe des nächsten Tages miteinander mit dem Wagen auf.
    Joan blieb unterwegs still. Sie fragte nichts, aber der Ausdruck ihrer Augen, die hin und wieder zuckenden Mundwinkel, der Klang der Stimme, wenn sie das

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