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Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Aufmerksamkeit doch nicht auf ihre eigene Person, sondern auf ihr Gegenüber. Unter den gegebenen mörderischen Verhältnissen auf der Reservation hatte sie einen erstaunlich freundlichen Empfang gefunden.
    »Ja, Sir, spricht englisch.«
    »Well. Was kann ich für Sie tun?«
    »Ich suche Joan, die Rodeoreiterin.«
    »Und wer sind Sie?«
    »Mara. Aber Joan kennt mich nicht.«
    »Was wollen Sie von ihr?«
    »Mitteilen, daß uns der Grauschimmel ihres Mannes mit Sattel und Zaumzeug zugelaufen ist.«
    »Hay! Kommen Sie sofort herein. Das muß Joan erfahren. Ihren Schecken hängen Sie dort an.«
    Ite-ska-wih tat das und folgte der Aufforderung, das Haus zu betreten. Im Vorraum blieb sie stehen.
    »Joan!« rief der Alte. »Hier weiß eine indianische Lady etwas von deinem Mann.«
    »Ja. Bitte, kann ich Sie sprechen?«
    Eine hübsche junge Frau mit dunkelbraunem Haar und hellbräunlichem Teint erschien. Sie konnte von Franzosen, Spaniern oder Italienern abstammen, vielleicht in der zweiten oder dritten Generation.
    »Sie wissen etwas…?«
    »Von Roberts Grauschimmel.«
    Ite-ska-wih durfte ein Zimmer betreten und sich an den Tisch setzen.
    »Bitte erzählen Sie.«
    Ite-ska-wih berichtete, wie sie mit Hanska zusammen das entlaufene Pferd gefunden habe.
    »Das ist merkwürdig! Mit Hanska zusammen? Hanska King?«
    »Hanska Bighorn-King.«
    »Ach endlich. Ich muß ihn sprechen. Aber wo ist das Pferd?«
    »Bei Waseschas und Tatokalas Tipi, wo auch Hanska und ich wohnen. Holen Sie es!«
    »Natürlich. Sagen Sie – Sie haben also das Pferd. Wo ist Robert, mein Mann?«
    »Das wissen wir nicht.«
    »Wo kann er sein? Er läßt doch nicht sein Pferd ledig herumlaufen. Wurde er erschossen?«
    »Das kann ich nicht sagen.«
    »Haben Sie gesucht?«
    »Ja. Wir alle.«
    »Ihn nicht gefunden?«
    »Nein.«
    »Was für eine Hölle ist diese Reservation geworden. Sie werden aussagen, wo und wie Ihnen dieses Pferd zugelaufen ist?«
    »Ja.«
    »Wo ist Stonehorn King?«
    »Entschwunden.«
    »Wie… verschwunden, wollen Sie sagen.«
    »Sie können auch verschwunden sagen.«
    »Großer Gott.« Joan stützte den Kopf in beide Hände. »Was geht hier vor.«
    »Totaler Irrsinn geht hier vor«, sagte der Alte und rief anschließend in die Küche, die durch ein Schiebefenster mit dem Wohnraum verbunden war, man solle Kaffee bringen. »Wie erklären Sie sich denn diesen allgemeinen Tobsuchtszustand, junge rote Lady?« fragte er dann im Diskussionston.
    Ite-ska-wih überlegte die Antwort und erwiderte schließlich mit einer Gegenfrage. »Haben Sie sich darüber nicht bei dem Chief-President Auskunft geholt?«
    »Miss Mara, ich laufe doch nicht zu einer Behörde, noch dazu zu einer indianischen. Ich nicht. Das habe ich niemals getan. Mein Großvater ist noch mit dem Gun hierher gekommen.«
    »Ich war dort«, sagte Joan, »bei dem Chief-President. Er urteilt sehr schlecht über die hier lebenden Indianer; er hat sogar gewagt, meinen Mann zu beleidigen, den ich suche. Er hat sehr gemeine Worte gebraucht. Warum habt ihr einen solchen Mann gewählt?«
    »Er hat Killer eingesetzt und Plastikbomben auf Häuser werfen lassen – und er hat seinen Anhängern Renten versprochen. Die einen hatten Angst, die andern ließen sich bestechen. Nur die Minderheit widerstand.«
    »Jedenfalls seid ihr selbst schuld!« dröhnte der Alte. »Und mit Gerüchten über Killer ist es auch nicht getan. Können Sie mir einen nennen?«
    Ite-ska-wih schaute den Graubart lange mit großen Augen an. So lange, daß unterdessen der Sohn des Alten, Besitzer der Ranch, eintrat und sich dazusetzte. Er brachte seine Pfeife zum Brennen, ein Zeichen, daß ihn das Gespräch interessierte und er mit einer längeren Dauer rechnete.
    »Ja, können Sie mir einen einzigen Killer nennen?«
    »Der Superintendent hat angeordnet, daß die Polizei den Mord an Pedro aufzuklären hat. Das ist das erstemal, daß sie einen Mord in diesem Bürgerkrieg aufklären muß. Vielleicht finden sie dann endlich einen oder zwei der Killer.«
    »Sie reden sehr sachverständig, Miss Mara. Was Sie da sagen, ist doch nicht auf Ihrem Mist gewachsen.«
    »O nein, Sir, auf unserer Erde ist es gewachsen.«
    »So, so. Der Geist des Aufstands scheint mir immer noch umzugehen. Stimmt’s?«
    »Der Geist des Rechts, Sir.«
    »Liebe Miss, die Indianer haben keine Rechte; sie nutzen unsere Gnade, denn wir sind nun mal die totalen Sieger, und die Indianer sind die totalen Verlierer. Warum wollten sie auch nicht arbeiten, kein Feld

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