Das helle Gesicht
Ite-ska-wih Wasescha.
»Er konnte es nicht. Seit fünfzig Jahren dürfen wir die Reservationsgrenze überschreiten. Das ist Bundesgesetz der weißen Männer, die die Reservationen eingerichtet haben. Vorher allerdings wurden wir erschossen, wenn wir die Reservation zu verlassen suchten.«
»Und Tokei-ihto, den wir auch Inya-he-yukan den Alten nennen?«
»Brachte es bei Nacht und Nebel zustande und war schon in den Wäldern der Black Hills mit seiner Gruppe, als seine Feinde aufwachten. Das ist ein Jahrhundert her. Damals war der Westen noch wildes Land.«
»Pedro wurde also nicht nach Recht und Gesetz gestellt, sondern ermordet.«
»Ermordet als unbewaffneter Mann und verscharrt.«
»Werden wir den Toten zu uns zurückholen?«
»Ich denke. Das können sie uns nicht verwehren. Ich bin Mitglied des Stammesrates und unterstütze den Antrag, der an den Superintendent gegangen ist.«
Drei Tage nach diesem Gespräch ereignete sich Verwunderliches. Ite-ska-wih befand sich gerade an dem Platz, an dem der Jaguar geparkt war, die Pferde weideten und die Hunde sich herumtrieben. Tatokala war bei ihr; die beiden jungen Frauen berieten, ob sie bald wieder einmal nach New City gehen und bei Oiseda Handarbeiten abliefern wollten. Sie unterbrachen das Gespräch und horchten auf. Ein Wagen kam in langsamem Tempo durch das unwegsame Gelände näher.
Die beiden jungen Frauen gingen hinter die nächsten Bäume, um nicht gesehen zu werden, ehe sie nicht selbst die Fremden erspäht hatten.
Der fremde Wagen hielt, die Hunde bellten, der Scheckhengst stampfte und legte die Ohren zurück; die Appalousastute folgte seinem Beispiel.
Die beiden Insassen des Dienstwagens, eine beleibte Weiße und ein gesetzter indianischer Mann, zogen es vor, zunächst sitzen zu bleiben. Tatokala und Ite-ska-wih kamen hinter den Bäumen hervor. Sie nahmen sich dabei genug Zeit, die Ankömmlinge zu mustern.
»Die Frau heißt Carson und kommt vom Wohlfahrtsamt«, sagte Tatokala zu Ite-ska-wih leise, aber doch nicht so leise, daß es versteckt wirken konnte. »Den Mann kenne ich nicht.«
Während Tatokala zu der sich öffnenden Wagentür ging, brachte Ite-ska-wih die Hunde und die Pferde zur Ruhe.
»Julia«, rief die freundlich wirkende Beleibte, »gut, daß wir Sie hier treffen. Sie können uns geleiten, ja?«
»Ja, Missis Carson.«
»Wer ist denn das schöne junge Mädchen? Doch nicht etwa die geheimnisvolle Mara?«
»Eben diese, Missis Carson.«
»Wie ich sehe, hat man mir nicht zuviel erzählt. Ihre Kusine?«
»So ungefähr. Ja, so kann man es ausdrücken. Hanska Bighorns Verlobte.«
»Nett, Sie kennenzulernen, Mara. – Also hier müssen wir aussteigen und zu Fuß weiterlaufen?«
»Wohin möchten Sie, Missis Carson?«
»Zu Hugh Mahan natürlich. Haben Sie etwas anderes erwartet? Wir haben eine sehr gute Nachricht für Mahan. Sie beide führen uns also?«
»Wollen Sie reiten? Das geht.«
»Auf diesen Pferden? Lieber Himmel, Julia, Sie machen sich über mich lustig! Nein, nein, wir laufen. Nicht wahr, Mister White Horse?«
Ite-ska-wih wurde aufmerksam. White Horse? Nun, vielleicht war er aus der Familie White Horse, aber sicherlich nicht jener alte Chief mit dem verschmitzten und untertänigen Gemüt, der den Whisky lieferte und zwei Jahrzehnte hindurch immer wieder gewählt worden war, bis Wasescha ihn abgelöst hatte. Wasescha hatte traurige und lustige Geschichten von diesem ehemaligen Chief-President erzählt, der ganz anders aussehen mußte als der Mann, der jetzt mit Missis Carson zusammen gekommen war.
Die Wagentür klappte zu. Man machte sich zu Fuß auf den Weg, der den Gästen lang erschien. Die Hunde kamen mit. Der Graue hatte etwas gegen den Mann namens White Horse, während er sich gegenüber Missis Carson zutraulich zeigte.
Aus einiger Entfernung ließen sich Axthiebe hören. Wasescha und Hanska arbeiteten an dem neuen Blockhaus.
Sobald die Gäste in ihrem Gesichtskreis auftauchten, hörten die beiden Männer mit der Arbeit auf und schauten ihnen zurückhaltend-erwartungsvoll entgegen. Sie waren beide barfuß, trugen nichts als die blauen Jeans.
Wasescha entschloß sich, die Axt in die Linke zu nehmen, zwei Schritte näher zu kommen und Missis Carson höflich zu begrüßen.
»Mister Mahan! Ausgezeichnet. Wo kann man sich denn hier hinsetzen?«
»Ins Gras, Missis, auf den Balken dort, oder wenn Sie eine längere Unterredung wünschen, ins Zelt.«
»Mahan, Sie bleiben doch ein Zyniker und werden Ihrem Vetter Joe King
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