Das helle Gesicht
Robert war tot. Sie hatte ihn allein gehen lassen. Sie war nicht bei ihm gewesen, als er aufgestanden war für das Recht und gegen das Unrecht. Er war allein gestorben, ermordet – verblutet – wer wußte es?
Sie rief nach ihm.
Irgend etwas antwortete ihr. Sie wußte sich ganz bei ihrem Mann.
Es war darüber Abend und Nacht geworden.
Am frühen Morgen war Joan wieder eine andere, man hätte auch sagen können, wieder die alte geworden, wenn das der Wahrheit entsprochen hätte. Sie war in einer armen, arbeitsamen, kinderreichen Familie aufgewachsen. Gegolten hatte das Wort des Vaters, den sie liebte und dem sie helfen wollte. Müdigkeit und Sentimentalität galten nicht. Sie konnte reiten und sie mußte reiten und Preise heimbringen. Sie tat es. Robert war der Gegensatz zu ihr; nicht eifrig, nicht diszipliniert, nicht berechnend geworden, um Geld zu verdienen. Er war ein Vollblut, voller Kraft und Übermut, voller ungehemmter Liebe und ungehemmtem Haß. Wenn er einen Stier bezwingen wollte, träumte er zuvor von ihm. Sie liebte ihn unbändig, wie einen Gott, der ihr begegnete. Dennoch war sie ihm nicht in den Ring gefolgt, sondern mit den Kindern in Kanada geblieben. Es hatte sich ein schmerzhafter Riß in ihr selbst aufgetan, den sie nicht schließen, den sie nur verbergen konnte.
Die Joan, die am frühen Morgen ihr Lager verließ, ging mit Ite-ska-wih zu dem Grauschimmel, um zu Myers Ranch zu reiten. Den Wagen wollte sie bei Gelegenheit holen; die Bewohner von Waseschas Tipi durften ihn bis dahin benutzen. Aber diese Joan verbarg etwas. Sie verbarg mehr als den Riß in ihr selbst. Sie verbarg ihre Gewißheit, daß Robert tot war. Ermordet war. Nach außen hin war sie Missis Joan Yellow Cloud, Mutter zweier Kinder, angestellt bei Rufus Myer als Pferdetrainerin und Rodeoreiterin, eine ernst zu nehmende junge Frau, die es verstand, ein Lächeln festzuhalten, wenn das von ihr erwartet wurde, und die sich auf das Wiedersehen mit ihrem Mann freute. Niemand konnte wissen, was Joan unter der Maske dachte, fühlte, plante. Ite-ska-wih ließ Joan mit einem Blick wissen, daß sie sich darüber nicht täuschte, und sie bat auf die gleiche stumme Weise um Großmut und Überlegung.
Joan umarmte das junge Sonnengesicht. Dann sprang sie auf; der Grauschimmel ging sofort in den stürmischen Galopp über, der ihm entsprach und seinem Reiter Robert entsprochen hätte.
Die Tage reihten sich aneinander. Wasescha plante, mit Hilfe seiner Freunde das Blockhaus seiner Mutter wiederaufzubauen, er begann, Bäume zu fällen. Aber er mußte die Arbeit häufig unterbrechen. Nach dem Erfolg seiner Aktion mit Morning Star und Whirlwind beim Superintendent wurde er des öfteren um Rat gefragt und zu Besprechungen eingeladen. Sein Ansehen wuchs wieder. Auf der Reservation spielte sich eine äußere Ruhe ein, die von allen angenommen und von allen für unsicher, wenn nicht für Lug und Trug gehalten wurde. Die Freunde Roberts rührten sich nicht; sie sagten wenig; was sie überhaupt sagten, klang höhnisch. Auf Rufus Myers Ranch trainierte Joan den Grauschimmel. Jeder Morgen, an dem sie das Tier begrüßte, war für sie eine neue Wunde. Ob es wahr sein mochte oder nicht, aus dem Sattelzeug spürte sie noch den Duft von Roberts Körper. War sie weit draußen, allein in der Prärie, schluchzte sie. Sie war immer schlank gewesen, jetzt wurde sie schmal. Margot war ihr einmal in der Agentursiedlung begegnet, seitdem füllten sich Margots Träume mit Grauen; sie sah den entstellten Körper Roberts wieder.
Wasescha erhielt hin und wieder eine zuverlässige Nachricht über den Stand der Ermittlungen in bezug auf Pedros Tod. Der Verdacht verstärkte sich, daß die Polizei selbst einen Mord begangen habe. Was Wasescha offiziell erfuhr, kam als vielfältig ausgeschmücktes Gerücht Ite-ska-wih zu Ohren, wenn Ray im Gespräch mit ihr etwas von seinen Geheimnissen durchblicken ließ oder die Besitzerin des kleinen Supermarkets an der Kasse Nachrichten ausplauderte.
Der Superintendent hatte dafür gesorgt, daß der Fall Pedro von den weißen Polizeiinstanzen untersucht wurde. Die dem Killerchief hörigen Stammespolizisten hatten, so hörte man, zugeben müssen, daß sie Pedros Wagen außerhalb der Reservation gestoppt, ihn aus dem Wagen herausgeholt und sofort niedergeschossen hatten. Sie beriefen sich darauf, daß der Killerchief Pedro ausdrücklich verboten hätte, die Reservation zu verlassen.
»Konnte er ihm das verbieten?« fragte
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