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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Hintergründe, die Familiengeschichte der Wallritz', sein eigenes Schicksal … niemand interessierte sich dafür. Die flammende Anklage des Angeklagten kam gar nicht zum Lodern … der Kriegsgerichtsrat sah auf die Uhr, es wurde Zeit zum Urteil. Wenn ein Fall so klar lag, der Angeklagte sogar geständig war, war es sinnlos, psychologische Studien zu betreiben. Außerdem kamen gegen Morgen die sowjetischen Störflieger, da war man im Bunker besser aufgehoben als in einer Baracke mit 10 Zentimeter dicken Holzwänden.
    Auch eine Beratung im üblichen Sinne war nicht nötig. Man sah sich an und nickte sich zu. Alles klar. Mit regungslosem Gesicht hört Dr. Körner das Urteil.
    »… ehrlos … nicht würdig der Uniform … Zum Tode durch Erschießen verurteilt … Das Urteil wird am selben Tag um sechs Uhr früh vollstreckt …«
    Dr. Portner sah auf seine Armbanduhr.
    »Das ist in eineinhalb Stunden«, sagte er heiser und sah General Gebhardt an.
    Der General erhob sich und verließ stumm das Gerichtszimmer.
    Die beiden Begleitoffiziere stellten sich neben Dr. Körner. Er war jetzt ein Delinquent. Mit hocherhobenem Kopf ging Oberst von der Haagen an ihnen vorbei, die anderen Herren folgten. Stabsarzt Dr. Portner trat auf seinen Assistenzarzt zu.
    »Leb wohl, mein Junge«, sagte er mit zitternder Stimme. Er gab ihm die Hand und hielt sie fest. Er spürte, wie auch Dr. Körner innerlich bebte. »Besser so, als verhungern oder in den Trümmern der Stadt verfaulen … Wir nehmen vielleicht alles zu wichtig in einer Welt, die kein Gewissen mehr kennt …«
    Dr. Körner nickte. Plötzlich umarmte er Dr. Portner und drückte ihn an sich.
    »Wenn Sie wüßten …«, sagte er mit schwankender Stimme, »wie gern ich lebte … wie gern …«
    Mit Olga Pannarewskaja war nichts mehr los. Der Tod Jewgenij Alexandrowitsch Kubowskis hatte sie aus der Bahn geworfen. Sie saß im Operationsbunker herum, stierte vor sich hin, operierte wie eine Maschine und reagierte nicht auf die Fragen des Chirurgen Sukow. Einmal nur sagte sie müde:
    »Andreij Wassilijewitsch, bitte, reden Sie nicht immer auf mich ein. Genausogut könnten Sie gegen die Kellerwand reden. Ich bin innerlich tot, bitte, begreifen Sie das …«
    Selbst mit vaterländischer Begeisterung war ihr nicht beizukommen. Die Berichte aus dem Armeehauptquartier waren hoffnungsvoll. Noch im Januar würde die Rote Armee zum letzten großen Angriff übergehen. Die Truppen standen gewissermaßen Gewehr bei Fuß, warteten auf ein besseres Wetter und auf das Herankommen neuer Artillerie und neuer Panzerbrigaden. Im Januar, so hieß es überall, vom Traktorenwerk ›Dsershinski‹ bis Beketowka, vom Steilufer der Wolga bis zur Kesselnaht bei Kalatsch, würde das große Aufräumen beginnen, das Eindrücken des Kessels, die Vernichtung der deutschen 6. Armee, das Zudrücken der Zange, in der 300.000 Menschen zermalmt wurden. Aus den unerschöpflichen Weiten Sibiriens zogen neue Divisionen nach Stalingrad, setzten über die Wolga, marschierten rund um den Kessel und legten einen stählernen Reifen um die hungernden, frierenden, hoffnungslosen, sterbenden, in Erdlöchern und Kellern verschimmelnden Deutschen.
    »Zu Ostern, Genossin Olga, werden Sie durch eine freie Stadt gehen«, sagte Chefchirurg Sukow, als er von einer Besprechung bei General Shukow zurückkam. »Das sollte Sie erfreuen.«
    »Warum?« Sie sah den Chefchirurgen aus den Augen eines sterbenden Rehes an. »Ich werde nie mehr glücklich sein, solange es noch einen Deutschen gibt …«
    »Ein großes Programm, Genossin! Immerhin sind es über sechzig Millionen!«
    »Die Erde ist tief genug, um auch sie zu begraben.«
    »Ihr Haß ist sinnlos. Wachen Sie auf, Olga!« Sukow rauchte eine seiner süßen tatarischen Zigaretten und trank dazu grünen Tee. Für ihn war die Trauer der Pannarewskaja um Major Kubowski eine Farce. In einer solchen Zeit wie der jetzigen galt ein einzelner Mann recht wenig. Man mußte weiter denken, und das hieß: In Kürze werden sich die Lazarettkeller bis zur Decke füllen, man wird Tag und Nacht operieren müssen, auch eine siegreiche Offensive stößt zerfetzte Leiber aus wie ein Rasenmäher, an dessen Auswurf das geschnittene Gras herausspritzt.
    Olga Pannarewskaja handelte und wachte auf. Eines Tages war sie unterwegs, weg aus dem ›Tennisschläger‹, hinein in die Trümmer der Stadt. Einige Leichtverwundete berichteten, man habe sie zuletzt mitten im Stoßtruppkampfgebiet, am Obelisk für die

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