Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
schieße einen Spatzen vom rasenden Pferd.
    Olga Pannarewskaja winkte nicht zurück. Sie wandte sich ab und ging langsam nach Osten durch die leeren Trümmer. Sie kam an einem zerschossenen Panzer vorbei, die Leichen der sowjetischen Panzersoldaten hingen halbverbrannt aus den Luken. Über den Ketten lag ein junger Rotarmist, blond wie der deutsche Junge, halb noch ein Kind. Sein Mund war aufgerissen zu einem furchtbaren, unmenschlichen Sterbensschrei. Aber der Tod war schneller gewesen und hatte den Schrei erstarren lassen.
    Die Pannarewskaja blieb vor dem Toten stehen und sah ihn an. Die blonden Haare wehten im Schneewind über den aufgerissenen Mund, die blauen Augen starrten sie an, als wollten sie fragen: Warum, Genossin, warum? Warum verbrannte ich lebendigen Leibes?
    »Warum?« schrie die Pannarewskaja laut. »Warum?« Es war eine dumme Frage, denn noch nie hat ein Politiker sie beantwortet … Wie konnten es da die Toten, der Schnee, das Eis, der kasachstanische Wind, die Trümmer, der trostlose graue Himmel, ja selbst Gott …?
    Dr. Körner wartete auf seine Exekution.
    Er saß wieder in dem kleinen Nebenzimmer und rauchte. Dr. Portner versuchte unterdessen verzweifelt, eine Verbindung mit Generalarzt Professor Dr. Abendroth zu bekommen. Aber die Leitung war dauernd besetzt oder gestört. Schließlich war sie ganz tot, es meldete sich der Oberquartiermeister der 6. Armee und nachher der Ia der Armee. Dr. Portner fluchte und hängte ein.
    Zwanzig Minuten vor der Urteilsvollstreckung – man hatte aus Troßleuten bereits ein Peloton zusammengestellt und den Erschießungsplatz bestimmt, eine Mauer hinter dem Bahnhof von Gumrak – trat der Ankläger des Kriegsgerichts in das kleine Zimmer.
    »Der Herr General hat das Urteil bestätigt, aber die Vollstreckung ausgesetzt.« Er sah auf einen Bogen Papier und dann auf den erstaunten Körner. »Sie haben sich als Strafgefangener zu betrachten und bleiben unter Bewachung, bis es die Normalisierung der Lage möglich macht, das Urteil zu vollstrecken. Sie werden heute nacht noch nach Stalingrad zurückkehren und weiterhin Dienst als Truppenarzt tun.«
    Der Major grüßte kurz und verließ ohne weiteren Kommentar das Zimmer. Er hinterließ drei ratlose Offiziere.
    General Gebhardt hatte eine halbe Stunde vorher eine kurze und sachliche Aussprache mit dem Kriegsgerichtsrat und den Beisitzern, an der Spitze Oberst von der Haagen. Er empfing die Herren in seinem Befehlsstand, einem großen, mit Balken abgestützten Erdbunker am Tatarenwall. Auf einem Brettertisch lag eine Karte des Stalingrad-Kessels. Rote und blaue Striche zeigten den Frontverlauf an.
    »Die Verhandlung gegen diesen Dr. Körner war ja ein Meisterstück«, sagte General Gebhardt und stützte sich auf die Karte. »Vor allem Sie, Herr Oberst, haben sich mächtig ins Zeug gelegt …«
    »Ich danke Herrn General«, sagte von der Haagen stolz. »Ich war außer Atem über so viel Hundsfötterei …«
    »Wenn Sie sonst nichts atemlos werden läßt …«
    »Wie meinen Herr General?« Oberst von der Haagen ahnte plötzlich Unangenehmes. Er nahm im voraus eine stramme Haltung ein.
    »Der kleine Assistenzarzt hat gesagt, was jetzt … zigtausend unserer Landser denken. Oder wissen Sie das nicht, meine Herren? Er hat gesagt, was auch ich weiß … Wie ist das nun, Herr Oberst, bin ich ein Defätist?!«
    »Herr General …« Von der Haagen erbleichte.
    »Wir sind am Ende, meine Herren! Ich nehme an, daß Sie Kartenlesen gelernt haben. Bitte, werfen Sie einen Blick auf die Lage. Sie ist nicht beschissen, sie ist, offen gesagt, unser Arsch mit Grundeis! Wir kommen nicht mehr heraus, das dürfte wohl klar sein! Man hat uns verraten, man hat die ganze 6. Armee einfach verraten, mit Sprüchen hingehalten, belogen, und wir haben diese Lügen geglaubt, vor allem die Armeeführung mit Paulus an der Spitze. Nun dämmert es allen, daß der glorreiche Führer kaltblütig dreihunderttausend Mann opfert, um ein Prestige zu retten, um rückwärtig neue Stellungen auszubauen, um einen sogenannten Heldenkampf zu haben, nach dem die Propaganda schreit. Wir sind bereits tot, meine Herren, ausgebucht bei der Heeresleitung! Herr Oberst – ist das Wehrkraftzersetzung, so etwas zu sagen?«
    »Wenn Herr General das sagen, dann …«
    »Reden Sie keine Scheiße, von der Haagen! Ich weiß nicht, woher Sie das Korsett nehmen, noch so aufrecht zu stehen …«
    »Meine Liebe zum Vaterland …«
    »Sie werden diese Liebe bei vierzig Grad Kälte

Weitere Kostenlose Bücher