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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Paragraphen.
    Wo aber ist der Paragraph aus einem Recht, der den an die Wand stellt, der mit großen Worten eine ganze Armee ermordet? 300.000 Menschen vor den Augen der fassungslosen Welt? Wo ist dieser Paragraph …?
    In der Nacht zum 2. Januar holten sie Dr. Körner ab.
    Nach Gumrak.
    Zum Kriegsgericht.
    Man hatte es eilig in Stalingrad, man ahnte, daß nur noch wenig Zeit blieb, nach Paragraphen zu leben.
    In dieser Nacht zum 2. Januar marschierte rings um den Kessel die Rote Armee auf. Über die Wolga zogen Panzer und schwere Geschütze, aus der Tiefe Asiens quollen sie heran, Divisionen nach Divisionen … zwei frische Armeen, die 62. Armee unter Generalleutnant Tschuikow und die 64. Armee unter Generalleutnant Shumilow … 23 Divisionen und 18 Brigaden, allein für die Eroberung von Stalingrad-Stadt.
    Das große Sterben begann.
    Zwischen zwei Offizieren mit umgeschnallter Pistole stolperte Dr. Körner über die Trümmer der Vorstadt bis zu dem wartenden Kübelwagen im Hof einer Werkstätte. Dr. Portner folgte ihnen mit Knösel und einem Unterarzt. Er wollte dabei sein, er wollte aussagen, er wollte wie ein Vater um seinen Sohn kämpfen.
    Vor dem Kübelwagen blieben die stummen Offiziere stehen. Einer von ihnen nestelte an seiner Pistolentasche und hielt die Waffe auf der flachen Hand Dr. Körner entgegen.
    »Bitte, Herr Kamerad …«, sagte er leise.
    Dr. Körner schüttelte den Kopf.
    »Es würde uns viel ersparen, Herr Assistenzarzt«, sagte der andere Offizier.
    Dr. Körner schüttelte wieder stumm den Kopf. Ich will aussagen, dachte er. Ich will mich nicht fortschleichen aus der Verantwortung. Ich will ihnen alles ins Gesicht schreien, alles, was sie schon wissen, aber nicht wissen wollen.
    »Also denn …« Die Offiziere traten zur Seite. »Steigen Sie ein.«
    Wenig später hoppelten zwei Kübelwagen über die zerschossene Straße in die Nacht hinaus. Nach Gumrak.
    Am Horizont, fast kreisrund, wetterleuchtete es, blitzte es in den Himmel, als zögen von Nord und Süd, von Ost und West sämtliche Gewitter aus der Unendlichkeit auf einen kleinen Punkt der Erde, auf Stalingrad.
    Die beiden kleinen Wagen brummten durch die Nacht, zwei hüpfende, keuchende Käfer.

10
    Wieder war alles aufs beste vorbereitet, als Dr. Körner in Gumrak eintraf, genau wie damals in Pitomnik, als er vor einem geschmückten Holztisch stand und ein Jawort sagte und Oberst von der Haagen ihn mit Marianne traute. Mit Marianne, die zu dieser Stunde schon mit einem Lungenriß im Keller des Hauses Lortzingstraße 26 lag. Eine Trauung mit einer Toten.
    Diesmal waren es drei Holztische, die nebeneinanderstanden und eine lange Tafel bildeten. An der Hinterwand hing, mit Heftzwecken festgemacht, die Reichskriegsflagge. Man hatte sich bemüht, Atmosphäre zu schaffen … mit deutscher Gründlichkeit und deutschem Sinn für den äußeren Ausdruck der vorhandenen oder angenommenen inneren Werte war der Barackenraum zum Gerichtssaal hergerichtet worden. Sogar ein Führerbild hing hinter dem Stuhl des Anklägers … unter den strengen Augen des größten Feldherrn aller Zeiten sollte die Verurteilung einer solch kleinen Wurst, wie es der Assistenzarzt Dr. Körner war, vor sich gehen. Außerdem wollte man dem Barackenzimmer die plumpe Nüchternheit nehmen; schließlich war es ein Offizier, der – das stand fest – zum Tode durch Erschießen verurteilt würde. Für einen Landser hätte man auf die Details verzichtet, bis auf das Führerbild. Es beruhigte auch den hartgesottensten Kriegsgerichtsrat, wenn er beim Urteilsspruch dem ins hehre Auge blickte, in dessen Namen er das aussprach, was man als Recht ansah.
    Dr. Körner behielt seine Offizierseskorte bei, als er die Baracke betrat. Ein Leutnant begrüßte ihn und stellte sich ihm als Anwaltsassessor im Zivilberuf vor. Er war bereit, die Verteidigung des Kameraden zu übernehmen. Dr. Körner gab ihm die Hand und schüttelte den Kopf.
    »Danke, ich verteidige mich selbst.«
    »Wie Sie wünschen, Herr Kamerad.« Der junge Leutnant atmete auf. Es war undankbar, als Pflichtverteidiger einen Fall zu übernehmen, der von vornherein faul war. Dr. Körner wurde in einen Nebenraum geführt und durfte sich auf einen Stuhl setzen. Die beiden Offiziere blieben bei ihm. »Sie haben noch zwei Stunden Zeit«, sagte der eine zu ihm. »Man hat Ihnen diese Frist eingeräumt, um sich mit Ihrem Verteidiger beraten zu können. Wollen Sie etwas lesen? Mit den letzten Flugzeugen ist die Neujahrsnummer des

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