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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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vorzustellen, wie Marianne in diesen Minuten aussah: In einem weißen Kleid, mit einem kurzen Schleier auf den schwarzen Locken und einem Myrtenkranz darüber. Sie weinte und sah immer wieder auf den Stahlhelm neben sich – das war so sicher, wie er jetzt die Augen geschlossen hatte und zweitausend Kilometer überbrückte.
    »So erkläre ich Sie hiermit kraft meiner Vollmacht als Mann und Frau«, sagte Oberst von der Haagen. Und mit einem Blick zu Pfarrer Webern fügte er hinzu: »Gott möge Ihren Lebensbund schützen.«
    Er streckte Dr. Körner die Hand entgegen. Ein leiser Stoß in den Rücken, von einem der Trauzeugen, ließ Körner die Augen öffnen. Er sah die Hand und legte seine kalten Finger hinein.
    »Ich danke Herrn Oberst«, sagte er. »Ich danke auch im Namen meiner Frau …«
    Meine Frau, dachte er. Zum erstenmal – meine Frau. Frau Marianne Körner …
    Über dem Flugplatz heulten Sirenen auf. Grell, auf- und abschwellend. Oberst von der Haagen ließ Körners Hand los.
    »Fliegeralarm! Wieder so'n paar sowjetische Störbrüder! Nicht mal in Ruhe heiraten kann man!«
    Sie stürmten aus dem Zimmer, um die Bunker hinter den Baracken zu erreichen. Pfarrer Webern und Dr. Körner blieben allein zurück. Niemand kümmerte sich mehr um sie. Die Kerze flackerte, als rund um den Flugplatz die Flak zu schießen begann.
    »Es wird lange dauern, bis sie in Wladiwostok sind«, sagte Webern und kam auf Körner zu. Er reichte ihm beide Hände und legte sein goldenes Kruzifix darüber. »Ich wünsche Ihnen und Ihrer Frau Gottes Segen. Mehr kann ich Ihnen nicht geben, Doktor. Ich bin ein armer Priester, der nur das Wort hat.«
    Dr. Körner senkte den Kopf und sah auf das goldene Kreuz auf seinem Handrücken.
    »Kommen Sie mich einmal besuchen, Herr Pfarrer?« fragte er.
    »In Köln? Wenn es einmal möglich wird, natürlich …«
    »Nein. In Stalingrad. In meinem Bunker am ›Tennisschläger‹. Sie werden ihn leicht finden … wo die Blutenden durch die Trümmer hinkriechen und wo im Umkreis von zehn Metern die Granattricher mit Leichen gefüllt sind … da bin ich in einem Keller … Der Weg ist nicht zu verfehlen …«
    Pfarrer Webern nickte. »Ich komme, Doktor. Bestimmt.«
    Dann sahen sie stumm in den flackernden Schein der Kerze, und was sie dachten, verschlossen sie in ihren Herzen. Und doch wußte jeder vom anderen, was er verschloß.
    Um sie herum bellte die Flak und zitterte der Boden. Die Barackenwände schwankten in den Druckwellen der Detonationen.
    Der Obergefreite Knösel lag in einem Einmannloch und rauchte. Er hatte den Mantel über den Kopf gezogen und sah aus wie eine schlafende Fledermaus.
    Ihn quälten andere Sorgen. Er hatte bei der Abfahrt in Stalingrad versprochen: »Kumpels … ich bringe euch einen Sack voll zu fressen mit!« Das wahr zu machen, war eine Sorge, die ihn mehr beschäftigte als der Bombenregen, der über die Rollbahn II niederging.
    Am Morgen mußte Iwan Iwanowitsch Kaljonin wieder zurück in die Stadt. Es gab keinen Urlaub, um das junge Frauchen in den Arm zu nehmen und zu schaukeln. Am Bahnhof hatten die Deutschen zwei Häuserblocks erobert, und auch am ›Tennisschläger‹ hatten Pioniere ein System untereinander verbundener Keller ausgeräuchert. Da brauchte man Iwan Iwanowitsch Kaljonin, auch wenn er nur ein einzelner war. Auch ein einzelner Mann, der noch schießt, kann zu einer Gräte im Halse werden, an der man erstickt, sagt ein russisches Sprichwort.
    Nichts da also mit Liebchen und schmatzenden Küssen, mit knirschenden Strohsäcken und dunklem Geraune am heißen Ohr! Man kann es nachholen, aber ein paar Meter Boden der Stadt in deutscher Hand, das kann der Tod von Mütterchen Rußland sein.
    Vera Tscherkanowa, die jetzt also Kaljonina hieß, begleitete Iwan Iwanowitsch bis zum Kamm des Steilufers. Dort sah sie in die sterbende, in jeder Sekunde grell aufschreiende Stadt, und es krampfte sich ihr das Herz zusammen vor Angst und Liebe.
    Selbst der alte Abranow war mitgekrabbelt und hockte hinter einer Bodenwelle, starrte hinüber in die Staubnebel und Feuerschleier, wo einmal seine Wohnung gewesen war, in einem schönen, neuen Haus, das eine Maurerbrigade in Rekordzeit gebaut hatte, und das man allgemein als sehr gelungen angesehen hatte, weil es für jede Familie sogar eine Toilette besaß, und er hatte Tränen in den Augen, als er Iwan Iwanowitsch umarmte und sagte:
    »Wir sehen uns wieder, Söhnchen … bestimmt sehen wir uns wieder …«
    Dann gliederte sich

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