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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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einer Kommission vorgeschlagen, die in den nächsten Tagen nach Warschau fliegt, um dort mit dem Heeres-Generalintendanten planmäßige Windeier zu legen. Es geht vor allem um die Einrichtung beweglicher, sogenannter ›fliegender‹ OPs, und da will man einige Fachleute aus der vorderen Linie dabeihaben, weil diese die Erfordernisse der kämpfenden Truppe genau kennen. So im besten Amtsdeutsch.«
    »Aber das ist doch Blödsinn! Medikamente brauchen wir, Verbände, schmerzstillende Mittel, Morphium, Evipan, Schienen und, wenn es möglich ist, Betten –«
    »Sehen Sie, genau das sagen Sie denen mal! Aber das Wichtigste ist, daß Sie nach Warschau kommen! In den tiefsten Frieden! Mensch, Körner … schalten Sie doch mal! Köln - Warschau, das ist gar kein Problem!«
    Körners Augen wurden groß und glänzend. »Das ist fantastisch, Herr Stabsarzt.«
    »Na, sehen Sie! Die Idiotie der einen ist die Wonne der anderen! Sie können jetzt sofort Ihr kleines Frauchen nach Warschau kommen lassen, und während die anderen um den runden Tisch sitzen und planen, liegen Sie Händchen in Händchen im warmen Ehebett. Ich schlage Ihnen das Hotel ›Ostland‹ vor … früher hieß es anders, aber jetzt nennt man es germanisch-kernig ›Ostland‹. Es wird sogar möglich sein, über einige Leitungen des Generalarztes ein Doppelzimmer zu bestellen.«
    Dr. Körner stand an der Zinkwanne, die als Waschbecken diente, und seifte sich die Hände und Arme. Dann tauchte er sie in eine Lysollösung und war das, was man in einem Keller von Stalingrad steril nannte.
    »Wenn das möglich wäre, Herr Stabsarzt …«, sagte er leise.
    »Es läuft doch schon alles, mein Lieber! Darum wundere ich mich, daß Sie überhaupt zurückgekommen sind!« Wallritz begann den Armstumpf zu verbinden. Zwei Sanitäter trugen einen neuen Körper in den OP-Keller. Ein frisch Verwundeter. Ein Granatsplitter hatte ihm die linke Schulter aufgerissen und das Oberarm-Kugelgelenk zerfetzt. Dr. Portner kratzte sich den Kopf. Der Verwundete war bei vollem Bewußtsein und starrte den blutbeschmierten Arzt stumm und bittend an. »Eine große Scheiße, mein Sohn«, sagte Portner und beugte sich über die zerrissene Schulter. »Das weißt du doch?«
    »Ja, Herr Stabsarzt.« Der Verwundete schluckte. Als sie ihn auf den geräumten Küchentisch hoben, biß er knirschend die Zähne zusammen. »Muß der Arm weg …?«
    »Wie soll ich das machen? Ich kann dich doch nicht halbieren!«
    »Was … was dann, Herr Stabsarzt?«
    »Ich suche dir die Splitterchen raus, mache eine schöne Schiene und aus! In einem vernünftigen Lazarett hätte man Chancen … aber hier biste in einer Knochenmühle, mein Junge.«
    »Reicht … reicht denn der Schuß nicht für die Heimat …?« Die Augen des Verwundeten füllten sich mit Tränen. Er wollte tapfer sein, aber von innen her drängte die Verzweiflung. Und sie war stärker.
    »Heul nicht, mein Sohn. Natürlich reicht er. Aber sag mir mal, wie wir dich in eine ruhigere Gegend bringen sollen … Bis zum nächsten Sanka, der dich wegschaukelt, geht's ein paar Kilometer durch die Hölle. Und das mit einer Trage …«
    »Ich … ich kann laufen, Herr Stabsarzt.« Der Verwundete richtete sich mit klapperndem Unterkiefer auf. »Ich habe doch nichts an den Beinen … Wenn ich zur nächsten Sammelstelle laufen würde …«
    Dr. Portner drückte ihn auf den Tisch zurück. »Mal sehen, mein Sohn. Zunächst bekommst du eins auf die Nase! Und wenn du wieder aufwachst, sieht die Welt anders aus. Äther, Wallritz!«
    Während Feldwebel Wallritz den Verwundeten narkotisierte, lehnte sich Portner gegen die Tischkante. Dr. Körner stand in der Gummischürze ihm gegenüber.
    »Ich vermute, daß man Sie in zwei Tagen spätestens wieder nach Pitomnik holt.«
    Dr. Körner schluckte mehrmals. Der Gedanke, Marianne zu sehen, mit ihr in Warschau zu sein, ein paar Tage Glück – mein Gott, nur ein paar Stunden, sie würden genügen –, ließ sein Herz rasend hämmern. »Es ist mir ein Rätsel, Herr Stabsarzt«, sagte er heiser, »wie Sie das arrangieren konnten …«
    Dr. Portner schob die Unterlippe vor. Wallritz gab ihm eine große Pinzette. Körner bekam ein Skalpell; die Knochensplitter mußten erst freigelegt werden, ehe man sie aus der riesigen Wunde ziehen konnte. »Auch in der Hölle sind Beziehungen alles, mein Lieber«, sagte Dr. Portner. »Unser Generalarzt, der alte Abendroth, war mein Doktorvater in Würzburg. Und später war ich bei ihm Erster Assistent!

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