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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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aber er tat es mechanisch und spürte kaum den Druck ihrer Finger. Auch ihre Worte rauschten an ihm vorbei wie das ständige Geknatter der Maschinengewehre oben in der Trümmerwüste.
    Marianne, dachte er. Ich habe dich vergessen. Kann man das begreifen, wo es nichts auf der Welt gibt, was mein Herz so beschäftigt wie du? Morgen werden wir Mann und Frau sein … über zweitausend Kilometer hinweg … wovon wir träumten, beim letzten Urlaub noch, im Schilf liegend und über die sonnige Fläche des Sees blickend, umschlungen und auf den Herzschlag des anderen lauschend, eingebettet in eine Wolke von Glück, auf der alle Erdenschwere von uns abfiel, das ist nun Wahrheit. Morgen, am ersten November 1942. Auf dem Flugplatz Pitomnik bei Stalingrad. Ich werde ja sagen, und du wirst ja sagen … zweitausend Kilometer entfernt, in Köln … und wir werden Mann und Frau sein … Das alles hatte ich vergessen, bis zu dieser Minute … Die Sterbenden nehmen die Gedanken mit …
    »Hauen Sie ab, Körner!« Die Stimme Dr. Portners riß Körner aus seinen Gedanken. »Und kommen Sie mir gesund zurück! Vor allem – kommen Sie erst mal heil nach Pitomnik. Meine Hochzeitsgabe müssen wir aufsparen bis nach dem glorreichen Sieg!«
    In wenigen Minuten war der Packsack Dr. Körners gepackt. Knösel half ihm dabei. Dann stiegen sie hinauf in das Trümmerfeld und wurden von russischen Pakgeschossen empfangen. Feldwebel Wallritz war mit ihnen nach oben gekommen. Ein Häuserviertel im ›Tennisschläger‹ brannte lichterloh. Pioniere kämmten mit Flammenwerfern einige Straßenzüge durch. In einem mitten durchgerissenen Haus lagen auf dem Betonboden des zweiten Stockwerkes einige Sowjetsoldaten. Man sah sie ganz deutlich … ihre Uniformen brannten, sie wälzten sich und rollten sich über den Boden, um die Flammen zu ersticken. Aber jedesmal, wenn sie in Richtung der Straße lagen, begannen sie wieder zu schießen. Brennende Menschen, die bis zum letzten Stöhnen kämpften.
    »Los!« sagte Knösel. Er duckte sich und rannte den Laufgang hinunter, den man in die Straße gegraben hatte. Dr. Körner folgte ihm. Sie liefen einige hundert Meter, mit keuchenden Lungen, schluckten Staub, warfen sich vor heranorgelnden Granaten hin und suchten in Löchern Schutz, geduckt an die schon verwesenden Leichen, auf die sie hinaufsprangen. Kurz vor einem freien Platz überfiel sie noch einmal eine Salve. Den Kopf zwischen die Steine gedrückt, warteten sie, hörten über sich hinweg die heißen Splitter surren und in die geborstenen Hauswände klatschen. Eine Staublawine, die von einer Fassade über sie herfiel, nahm ihnen die Luft. Sie sprangen auf, warfen die Arme empor und rangen nach Atem. Taumelnd erreichten sie das andere Ende des Platzes, stolperten weiter und standen plötzlich in einer anderen Welt.
    Aus Kellern und Steinbunkern rauchten Ofenrohre. Zwei Funkwagen waren hinter einer Hauswand aufgefahren und hatten eine lange Antenne gespannt. In Hausruinen hatten sich Werkstätten niedergelassen. Von irgendwoher zog der Duft einer dampfenden Nudelsuppe durch die Trümmer. Vier deutsche Tigerpanzer waren in einer Reihe aufgefahren und wurden so sorgfältig gewaschen, als gehe es zur Parade. Ein Spieß schrie herum und meckerte, weil die Raupenketten der Panzer in den inneren Gliedern immer noch Lehmspuren aufwiesen.
    »Ich werd' verrückt!« sagte Dr. Hans Körner und blieb keuchend stehen. »Da die Hölle – hier Kommiß!«
    »Genau bis zu dem Platz reicht die sowjetische Artillerie. Dann kommt 'n freier Streifen … und auf der Straße nach Gumrak geht's wieder los. Da kommen die großen Koffer runter. Det ist hier wie 'ne Insel. Und da steht er ooch, unser Kübel …« Knösel zeigte mit seiner Pfeife auf einen Kübelwagen mit Tarnanstrich. Er stand vor einer der Werkstätten.
    Knösel schleppte den Packsack Körners zum Wagen und warf ihn auf den Hintersitz. Ein Offizier kroch aus einem Keller und sah Körner interessiert entgegen, als dieser an den Wagen trat. Er grüßte, und Körner grüßte zurück.
    »Ihr Wagen, Kamerad?«
    »Ja.«
    »Sie fahren nach rückwärts? Würden Sie ein Paket mitnehmen?« Der Offizier, ein Oberleutnant mit großen verträumten Augen, kam näher. In der Hand hielt er ein kleines Paket. »Es ist für meine Mutter …«
    »Selbstverständlich.« Dr. Körner nahm das Paket und legte es neben seinen Packsack.
    »Ich bin gestern hierhergekommen, aus Frankreich«, sagte der junge Oberleutnant. In seiner Stimme

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