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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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herabhängenden Lefzen. Das blutverschmierte Gesicht einer Bulldogge …«
       Ein weiteres Gruselbild, das jedoch keinerlei Ähnlichkeit mit dem alten Mann von Luc oder Agostinas Engel hatte. Jeder Lichtlose hatte seinen eigenen Dämon.
       Ich setzte meinen Gedankengang fort:
       »Glauben Sie, dass irgendeine Bezugsperson das Vorbild für diese Kreatur abgegeben haben könnte?«
       »Inwiefern?«
       »Eine Person aus seiner Vergangenheit, die, entstellt durch die Halluzination, wieder aufgetaucht ist?«
       »Nein, ich habe mich über seine Lebensgeschichte, sein Umfeld kundig gemacht. Soweit ich weiß, gab es da niemanden, der dieser Traumgestalt ähnlich sah. Im Übrigen: Wer könnte sich an einen solchen Albtraum erinnern?«
       Meine psychoanalytische Spur war also eine Sackgasse. Valtonen fuhr fort:
       »Haben Sie noch weitere Erlebnisberichte dieser Art?«
       »Ja, einige.«
       »Ich würde sie gern lesen. Liegen sie in englischer Übersetzung vor?«
       »Ja, aber wir arbeiten im Moment unter extremem Zeitdruck. Sobald es etwas ruhiger wird, schicke ich Ihnen die vollständige Dokumentation. Versprochen.«
       »Danke. Ich habe eine letzte Frage.«
       »Heraus damit.«
       »Sind die anderen Zeugen ebenfalls alle zu Mördern geworden?«
       Ich dachte an Luc. Und, unwillkürlich, an Manon. Ich antwortete in schroffem Ton:
       »Nein, nicht alle.«
       »Umso besser. Sonst gliche dies schon einer Epidemie der Mordwut.«
       Ich legte auf, nachdem ich mich nochmals bedankt hatte.
14 Uhr
    Es war Zeit, angeln zu gehen.
       Zeit, zum Anfang der Ermittlungen, die meinen eigenen vorangegangen waren, zurückzukehren und all ihre Kapitel abzuschließen.
       Es war Zeit, Luc zu befragen.

KAPITEL 98
    Luc befand sich mittlerweile in der Fachklinik Paul-Guiraud in Villejuif. Der Zusatz »Fach« war eine beschönigende Umschreibung für eine Nervenheilanstalt. Luc hatte seine Einweisung in eine »offene Station« selbst unterschrieben. Das bedeutete, dass er das Krankenhaus jederzeit verlassen konnte.
       15 Uhr. Als ich im Institut eintraf, war der Tag bereits auf dem Rückzug. Ein großes schwarzes Gelände, das direkt aus einer Stadtrandsiedlung mit lauter Einfamilienhäusern herausgeschnitten war. Pascal Zucca, der Psychiater und Hypnotiseur, hatte mir gesagt, wo ich Luc finden konnte. Ich ging durch das Tor, wandte mich nach rechts und ging durch eine Allee, an der zweigeschossige Gebäude standen. Jeder Pavillon glich einem Flugzeughangar – beigefarbene Mauern und gewölbte Dächer.
       Ich fand den Pavillon 21. Eine Assistentin am Empfang nahm ihren Schlüsselbund und führte mich durch das Gebäude. Ein langer, von Türen mit runden Fenstern unterbrochener Schlauch, der an das Innere eines U-Boots erinnerte. Man musste jeden Raum durchqueren, um in den folgenden zu gelangen: Speisesaal, Fernsehraum, Werkstatt für Beschäftigungstherapie … Alles war renoviert: gelbe Wände, rote Türen, weiße Decken mit Lichterketten. Wir gingen geräuschlos über den schieferfarbenen Linoleumboden.
       An jeder Tür benutzte die Frau einen anderen Schlüssel. Ich begegnete Patienten, die in merkwürdigem Gegensatz zur modernen Architektur des Gebäudes standen. Sie waren nicht »renoviert« worden. Die meisten von ihnen starrten mich mit offenem Mund an. Ausdruckslose Gesichter und leere Blicke.
       Bei einem Mann war eine Gesichtshälfte wie von einem Angelhaken zur Seite gezogen. Ein anderer hatte einen Buckel und musterte mich finster aus einem auf der Stirn hockenden Zyklopenauge, während das zweite Auge nach unten verrutscht war. Ich bemühte mich, den Blicken der Patienten auszuweichen. Die Schauerlichsten waren die Unscheinbaren. Graue, erloschene Gestalten, die in sich selbst begraben zu sein schienen. Schatten ihrer selbst.
       Einer von ihnen unterbrach seine Faltarbeiten, um mir mit der Hand ein Zeichen zu geben. Meine Begleiterin äußerte einen Kommentar dazu, während sie die nächste Tür aufschloss:
       »Ein Zahnarzt. Er ist seit sechs Monaten hier. Er verbringt seine Tage mit Faltarbeiten, Origami genannt. Er hat seine Frau und seine drei Kinder umgebracht.«
       Im nächsten Gang meinte ich schließlich:
       »Ich sehe keine Alarmklingel. Gibt es hier keine?«
       Die Frau schwenkte den Schlüsselbund:
       »Man braucht nur mit einem Schlüssel irgendein metallisches Objekt in diesen Räumen zu berühren, um

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