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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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kommt?«
       »Jeden Morgen habe ich mich das gefragt, seitdem ich dich kenne.«
       »Es rührt von meiner Kindheit her.«
       Ich seufzte. Was würde er mir noch auftischen? Plötzlich hoffte ich, dass er von einem alten Mann erzählen würde, dem er in jungen Jahren begegnet war. Ein alter Mann, der so aussähe wie die Gestalt in seiner Vision, aber er sagte:
       »Erinnerst du dich an meinen Vater?«
       Ich sah das Foto in seinem Büro wieder vor mir: Nicolas Soubeyras, der Eroberer der tiefen Höhlen, der einen Overall und eine Stirnlampe trägt. Ohne meine Antwort abzuwarten, fügte er hinzu:
       »Der schlimmste Dreckskerl, dem ich je begegnet bin.«
       »Ich dachte, du hättest ihn bewundert.«
       »Mit elf Jahren bewundert jeder seinen Vater. Selbst wenn er ein Miststück ist.«
       Ich war gespannt, was noch kommen würde.
       »Ein Dreckskerl, der meine Mutter schlug, uns ständig drangsalierte und ständig auf der Jagd nach neuen Rekorden war. Damals litt ich an einer Trigeminusneuralgie. Diese Krankheit, die mit furchtbaren Schmerzen einhergeht, ist bei Kindern sehr selten. Mein Vater versteckte meine schmerzstillenden, entzündungshemmenden Medikamente, um mich abzuhärten. Du siehst, was für ein Mensch er war!«
       Was ich nicht begriff, war der Zusammenhang zwischen dieser neuen Geschichte und der Faszination am Teufel. Hatte Luc seinen Vater zu guter Letzt für einen Dämon gehalten? Er fuhr fort:
       »Weißt du, wie er gestorben ist?«
       »Er ist bei einer Höhlenerkundung ums Leben gekommen, oder?«
       »In der Genderer-Höhle in den Pyrenäen im April 1978. Nicht weit von Saint-Michel-de-Sèze. Er ist tausend Meter tief hinabgestiegen. Er wollte sechzig Tage unter der Erde verbringen, ohne Zeitmesser und ohne Kontakt zur Oberfläche, um seine innere Uhr zu studieren. Er kam nie zurück. Ein Felssturz hat ihn in einer Galerie verschüttet. Große Felsblöcke versperrten ihm den Ausgang, sodass er schließlich erstickt ist.«
       Ich schwieg. Noch immer kein Zusammenhang mit Satan.
       »In der Nähe der Leiche fanden Angehörige der Bergungsmannschaft ein Notizbuch mit Skizzen. Als ich diese Zeichnungen sah, Mat, wusste ich, dass sich mein Leben für immer verändert hatte.«
       »Was stellten sie dar?«
       »Die Finsternis.«
       »Ich versteh nicht.«
       »Eingeschlossen in der Höhle, hatte mein Vater jeden Tag im Schein seiner Lampe die Umgebung gemalt. Die Stalaktiten, die Konturen der Höhle, die Schatten.«
       »Zeichnete er immer wieder das Gleiche?«
       »Eben nicht. Im Lauf der Tage verwandelten sich die Felsen. Die Stalaktiten verformten sich. Sie wurden zu Klauen, die sich ihm näherten, um ihn davonzutragen.«
       Ich malte mir aus, wie der lebendig eingemauerte Nicolas Soubeyras im Todesringen von Halluzinationen gepeinigt wurde. Mit zitternden Händen zeichnete er im schwächer werdenden Schein seiner Lampe seine Umgebung, die sich nach und nach veränderte. Das letzte Grauen vor dem Ende.
       Luc seufzte mit einer Stimme, die aus dem Abgrund selbst zu kommen schien:
       »Auf den letzten Skizzen hatte das Gewölbe die Form von Fledermausflügeln angenommen, und die Stalaktiten waren zu schwarzen Adern geworden. Der finstere Abgrund enthüllte sein Gesicht.«
       »Was für ein Gesicht?«
       »Das Gesicht, das mein Vater vor seinem Tod gesehen hat.«
       Mir schauderte. Luc flüsterte und spielte nervös an der Kappe seines Füllers:
       »Der Teufel. Mein Vater hat Satan gesehen, bevor er seinen letzten Atemzug tat. Der Engel der Finsternis, der aus dem Innern der Erde herausfuhr, um ihn mitzunehmen. Dieses Gesicht werde ich nie vergessen. Dieses Skizzenheft ist meine schwarze Bibel gewesen …«
       Luc hatte mir immer erzählt, dass er auf einer Bergwanderung mit seinem Vater auf einer steilen Felswand das Ebenbild Gottes gesehen habe. Jetzt wurde mir klar, dass er auch den Teufel gesehen hatte, den Nicolas Soubeyras im Innern desselben Gebirges gezeichnet hatte.
       »Du musst dich ausruhen.«
       »Red nicht mit mir, als wäre ich krank. Ich bin nicht verrückt. Noch nicht. Ich sag dir noch etwas. Ich hab Corine Magnan angerufen. Ich will sie treffen.«
       »Was willst du ihr sagen?«
       »Sie muss mich unter Beobachtung stellen. Meine Wandlung ist das Meisterstück des Falls. Man muss meine Metamorphose genau verfolgen und analysieren, um die wahre

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