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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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fuhr ich den See entlang, durch die gleiche Landschaft wie bei meinem ersten Abstecher hierher. Ferne Lichter an den Hängen der Hügel schimmerten wie verstreute Glut.
       In Vevey bog ich nach Bulle ab und nahm die Autobahn E27. Dann verließ ich die Schnellstraße und fuhr hinauf zu den Gipfeln, Richtung Spiez. Ich dachte an meine Fahrt über den Simplonpass: Seither schienen mehrere Jahrhunderte vergangen zu sein.
       Wessenburg.
       Julie Deleuze hatte die Wahrheit gesagt: Der Weg zur Villa Parcossola war ausgeschildert. Ich verließ die nass glänzende Fahrbahn und fuhr in eine verschneite Straße hinein. Die Stimmung der Landschaft veränderte sich wie die eines Gesichts. Immer dichter zusammenstehende, immer schwärzere Tannen. Grau und bläulich schimmernde Schneeverwehungen, passend zu den stahlblauen Wolken über den Wäldern.
       Ein Schild tauchte auf, das auf einen Kiesweg zeigte. Eine weiße Ader im dunklen Körper des Waldes. Ich fuhr unter die Decke aus Nadelbäumen. Ich kam an einem Elektrizitätswerk vorbei. Ein grauer Block, der aus dem Unterholz auftauchte und auf geheimnisvolle Weise die Abgeschiedenheit des Orts unterstrich.
       Nach einer Kurve öffnete sich der Wald und enthüllte die Villa.
       In mehrere Betonterrassen gegliedert, überspannte sie einen Wasserfall, der durch ihr Fundament strömte. Ich schaltete die Scheinwerfer aus und wartete, bis sich das Gebäude im Mondlicht deutlicher abzeichnete. Es erinnerte an ein berühmtes Bauwerk von Frank Lloyd Wright, das »Falling-water«, das nach dem gleichen Prinzip entworfen worden war, als schwebe es über dem Wasser.
       Ich hielt etwa fünfzig Meter vom Parkplatz entfernt, auf dem kein Auto stand. Ich nahm meine Taschenlampe, Gummihandschuhe und stieg leise aus.
       Ich schlich auf die Residenz zu, wobei ich mich immer im Dunkeln hielt. Der Lärm des Sturzbachs übertönte meine Schritte auf dem Kies.
       Jetzt übersah ich die Villa mit einem Blick. Jede Terrasse, die von einem Betonbalkon gesäumt wurde, ragte ein Stück weiter über dem Sturzbach auf und trotzte damit den Gesetzen der Physik. Mit seiner massiven Rückseite bildete das Haus ein Gegengewicht dazu. Es brannte kein Licht. Links umrahmten zwei viereckige Backsteintürme ein schmales verglastes Vestibül. Die silbern schimmernden Fluten und schwarzen Tannen spiegelten sich im Glas, sodass man den Eindruck hatte, sie befänden sich innerhalb des Gebäudes.
       Im Weitergehen fiel mir ein Detail auf. Hinter den großen Fenstern waren Rollläden heruntergelassen. War Beltreïn zu Hause? Unter den Terrassen bog ich in einen schmalen Gang ein, der über den Wildbach führte. Der schneidende Wind des Wassers peitschte mir ins Gesicht.
       Ich bewegte mich im Fundament des Gebäudes. Eine Betontreppe am Ende des Gangs führte ins Erdgeschoss, zu einem silbern schimmernden Rasen. Ich ging weiter und blickte mich um. Die Hauptfassade des Gebäudes befand sich jetzt vor mir, mit einem Portal, einer Klingel und einer Videokamera. Der Kies schimmerte im Mondschein wie eine Bühnendekoration.
       Nach ein paar flinken, leisen Schritten stand ich nahe an der Außenmauer. Ich ging nach links bis zur Ecke, auf der Suche nach einem Dienstboteneingang – oder auch einem kleinen Fenster, das ich einschlagen könnte. Da sah ich eine weitere Treppe, die wieder unter das Fundament führte. Instinktiv stieg ich hinunter und entdeckte, auf halbem Weg, eine Eisentür.
       Der Zugang zum Kellergeschoss oder zu einer Garage.
       Ein Kribbeln im ganzen Körper. Ich zog meine Glock und entsicherte sie. Mein Mantel klebte mir an der Haut, die eisige Nässe ließ mich frösteln. Reflexartig tastete ich das eiserne X ab, das die Tür versperrte, die sich unmöglich aufbrechen ließe. Aufs Geratewohl drückte ich die Klinke nieder. Die Tür drehte sich in den Angeln. Sie war offen.
       Ganz einfach offen!
       Ich lud die Pistole durch und schlüpfte in die Finsternis hinein.

KAPITEL 111
    Ein Gang.
       Vollkommen schwarz.
       Ich tastete mich in die Dunkelheit vor, die Gedanken standen still. Durch die halb geöffnete Tür hinter mir dröhnte das Rauschen des Wassers. Ich begriff sofort, dass ich nicht in irgendeinem Abstellraum, einer Garage oder einem Hangar war. Ich befand mich in einem Heiligtum. Einem Ort aus Beton und Stille, wo die schlimmsten Geheimnisse gehütet wurden.
       Meine Augen passten sich an die Dunkelheit an. Eine weitere Tür

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