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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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auszumalen, was sich darunter befand – die Nahrung für die Heerscharen Beltreïns.
       Ich konzentrierte mich auf meine Rolle als Polizist. Ich war Commandant Durey. Ich war dienstlich hier, und ich musste diesen Raum ordnungsgemäß durchsuchen. Mir konnte nichts geschehen.
       Ich hob die Tücher an und betrachtete das Innere der Glasgefäße. Ein abgeschnittener Penis, Augen, in Formaldehyd schwebend. Ein Herz, eine Leber, kastanienbraun, kaum sichtbar in einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit.
       Diese menschlichen Überreste stammten nicht von den Mordopfern, das wusste ich. Der Mediziner war auch ein Leichenfledderer. Ein Grabschänder. Aufgrund seiner beruflichen Stellung hatte er Zugang zu den Listen der Menschen, die nicht nur in seiner Klinik, sondern in Lausanne und der Region verstorben waren. Grub er selbst die Leichen aus, um seine Schwärme damit zu füttern? Ich dachte an die Schweizer Familien, die in stillem Gedenken vor leeren Gräbern verharrten.
       »Ich könnte sie mit Tierkadavern füttern, aber das würde dem Genius Loci nicht entsprechen.«
       Ich drehte mich um. Moritz Beltreïn stand in der Tür. Er trug einen offenen schmutzigen Kittel über einem Fleece-Pullover und hatte beide Hände in die Taschen seiner Jeans gesteckt. Er sah aus wie ein Doktorand in seinen Stan-Smith-Sportschuhen. Mit seinem langen Pony und seinen großen Brillengläsern sah er ulkiger aus denn je.
       Die Glock auf ihn richtend, forderte ich ihn auf:
       »Nehmen Sie langsam die Hände aus den Taschen.«
       Lässig leistete er der Aufforderung Folge. Plötzlich schrie ich:
       »Warum?« Mit weit aufgerissenen Augen blickte ich mich um. »Warum das alles? Diese Toten? Dieses Foltern? Diese Insekten?«
       »Deine Ermittlungsarbeit war einzigartig, Mat. Sie betraf die fundamentale Frage.«
       »Den Teufel?«
       »Den Tod. Im Grunde genommen sprechen die Polizisten, die Richter und Anwälte nie über die Hauptsache, das wichtigste Thema: die Toten. Was denken sie über die Morde, die ihr tägliches Brot sind? Was würden sie tun, wenn sie sich rächen könnten?«
       In seinen Brillengläsern spiegelten sich die grünen Kästen, sodass seine Augen nicht zu erkennen waren. Er war zum Du übergegangen, was angemessen war, denn schließlich verband uns eine intime Feindschaft.
       »Dank dem Meister«, fuhr er fort, »haben die Toten zum ersten Mal das Wort. Eine zweite Chance. Ich helfe ihnen, zurückzukehren und sich für die Grausamkeit der Lebenden zu rächen.«
       Ich wollte losschreien. Beltreïn sprach noch immer so, als würden die Lichtlosen die ihnen zur Last gelegten Verbrechen selbst begehen. Ich wollte mich nicht von ihm einwickeln lassen. Ich atmete tief durch und versetzte dann in ruhigerem Ton:
       »Sie haben Sylvie Simonis, Salvatore Gedda und Arturas Rihiimäki getötet. Und viele weitere Menschen.«
       »Du hast nichts kapiert, Mathieu. Ich habe niemanden getötet.« Er breitete die Hände aus, wie um seine Unschuld zu unterstreichen. »Ich bin nur ein Lieferant, ein Mittelsmann, wenn du willst. Ich liefere lediglich die … Rohstoffe.«
       Ich traute meinen Ohren nicht. Endlich hatte ich den Mörder, den Wahnsinnigen, den »Höllengast« gefunden – und der Schwachkopf wollte mir noch immer weismachen, die Lichtlosen hätten die Morde selbst begangen.
       »Ich weiß alles«, stieß ich zwischen den Zähnen hervor. »Dass Sie die Reanimierten einer Gehirnwäsche unterziehen. Ihre Methode, um eine Nahtod-Erfahrung vorzutäuschen. Dass Sie dabei auf Suggestion, die Droge Iboga und vermutlich weitere Substanzen setzen. Sie haben diese Menschen manipuliert. Sie haben ihnen weisgemacht, sie hätten den Teufel gesehen. Sie haben ihre Erinnerungen verfälscht. Sie haben ihnen eingeredet, sie wären die Mörder. Aber Sie und niemand anders haben gefoltert und gemordet. Sie erschaffen die Lichtlosen. Sie fädeln ihre Rache ein. Sie verbreiten Tod und Verderben!«
       »Ich bin enttäuscht, Mathieu. Du bist bis zu mir vorgedrungen, und trotzdem entgeht dir noch ein großer Teil der Wahrheit. Weil du die Augen vor den Tatsachen verschließt. Der Macht Satans. Er allein hat sie gerettet, und sie haben sich anschließend gerächt. Eines Tages wird ein Buch über die Lichtlosen geschrieben werden.«
       Ich war enttäuscht. Aber ich durfte von diesem Mörder keine vernünftigen Ausführungen erwarten. Beltreïn war ein Gefangener seines

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