Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
Vom Netzwerk:
am Ende des Gangs. Bei jedem Schritt rutschte mir das Herz ein Stück tiefer in die Hose. Hitze schlug mir entgegen. Eine klamme Schwüle, die nicht zur Jahreszeit passte. Da war auch ein Geruch, den ich sogleich erkannte.
       Rohes Fleisch.
       Fleisch mit einem Hautgout.
       Endlich war ich da. In der Höhle des »Höllengasts«. Ich ging weiter. Kein Geräusch mehr bis auf das Surren eines Dampfkessels oder eines Belüftungssystems. Die Hitze nahm zu. Direkt vor mir eine Tür. Der Albtraum erwartete mich auf der anderen Seite. Diese Gewissheit – ein stummer Schrei in meinem Kopf – betäubte mich sogleich. Die Hand auf der Klinke, war ich vollkommen ruhig, wie losgelöst von der Wirklichkeit.
       Die Tür ging widerstandslos auf. Alles war zu einfach. Wie aus großer Ferne ertönte in mir eine Alarmglocke: Diese Mühelosigkeit deutete auf eine Falle hin, der Schraubstock, der sich unmerklich um mich schloss. Beltreïn war da – und erwartete mich. »NUR DU UND ICH.«
       Der Raum war in völliges Dunkel getaucht. Ich zog die Taschenlampe aus der Tasche und schaltete sie an. Ich erwartete Insektenkästen, ein Treibhaus voller Flechten. Doch es war nur ein digitales Fotolabor. Gehäuse, Objektive, Scanner, Drucker.
       Ich näherte mich einem Brett, das auf Böcken lag: Eine Vielzahl ungeordneter Abzüge. Ich legte die Taschenlampe hin, steckte meine Waffe weg und streife die Latexhandschuhe über. Ich griff wieder nach meiner Streamlight und richtete sie auf die Abzüge. Bilder, die ich kannte. Das entstellte Gesicht von Sylvie Simonis. Ihr von Maden und Mücken zerfressener Körper. Nur dass die Frau auf diesen Bildern noch lebte …
       Das Zittern bezwingend, wandte ich mich den anderen Fotos zu. Ein verwesender Mann, dessen Gesicht nur noch ein weit aufgerissener Mund ist. Salvatore Gedda. Weitere Abzüge. Ein alter Mann im Todeskampf, dessen grünliches Fleisch unter dem Druck der Fäulnisgase Blasen warf. Zweifellos der Vater von Raimo.
       Weitere Gesichter, weitere Körper. Und jeder einzelne eine Bestätigung. Seit Jahren schon schlug Beltreïn überall in Europa zu, wobei er die Chancen nutzte, die ihm sein Fachgebiet eröffnete. Er manipulierte das Unbewusste von Wiederbelebten und marterte und tötete auf bestialische Weise Opfer, die er für schuldig befunden hatte. Er rächte die Lichtlosen im Namen des Teufels.
       Ich würde mir wünschen, dass dies ein historischer Moment wäre.
       Dass die ganze Welt Bescheid wüsste.
       Freitag, 15. November 2002, 20 Uhr, Commandant Durey identifiziert am Hang des Mont Gantrish einen der gerissensten Serienmörder des beginnenden Jahrhunderts.
       Aber nein.
       Niemand wusste, dass ich hier war.
       Niemand ahnte auch nur etwas von der Existenz dieses einzigartigen Mörders.
       Ich blickte auf. Vor mir eine weitere Tür, schwarz gestrichen. Die Suite der Hölle. Ich ging um den Tisch herum. Der Geruch von verfaultem Fleisch, der immer durchdringender wurde. Und immer wieder der alarmierende Gedanke: Beltreïn ist ganz in der Nähe.
       Es war eine abgedichtete Brandschutztür. Ich atmete tief ein, drückte die Tür auf und betrat den angrenzenden Raum. Ich ging in eine Falle, das stand außer Zweifel. Aber es war zu spät, um zurückzuweichen. Ich war hypnotisiert, wie berauscht von der Gewissheit, dass der Moment der Wahrheit, die endgültige Auflösung unmittelbar bevorstand.
       Der Gestank von verwesendem Fleisch war hier unerträglich. Ich atmete nur noch durch den Mund. Es war ein schwach beleuchteter großer rechteckiger Raum, an dessen beiden Seitenwänden mit Gaze bespannte Kästen standen – genau wie bei Plinkh. Die Decke und der obere Teil der Wände waren mit durch Glaswolle ausgepolstertem Packpapier überzogen. Die Hitze war drückend, gesättigt vom Verwesungsgestank. Große Luftbefeuchter standen in jeder Ecke des Raums.
       Die Fotos an der hinteren Wand gehörten zu der gleichen Sammlung wie die im Vorzimmer. Ich näherte mich. Zerfressene Gesichter, von Maden wimmelndes Fleisch, eitrige Wunden. Aber auch aus Lehrbüchern der Rechtsmedizin und der Anatomie ausgeschnittene Bilder. Radierungen, Bildtafeln von Raubinsekten, die mit der Feder gezeichnet waren. Alles war genau so wie bei Plinkh, nur barbarischer und krimineller.
       Auf einem Arbeitstisch in der Mitte des Raums standen Goldfischgläser und Aquarien, die mit Tüchern und Müllsäcken bedeckt waren. Ich wagte mir nicht

Weitere Kostenlose Bücher