Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
Vom Netzwerk:
ausgerissenen Fleischstücken verwandelt haben?
       Wieder begann ich zu zweifeln. Schließlich war selbst meine Ausgangshypothese vom »Höllengast« reine Spekulation. All dies konnte eine reine Chimäre … eine Wahnidee sein.
       Ich langte mit der Hand in meine Aktentasche und zog die Dokumentation über Beltreïn heraus, die ich vor meiner Abreise ausgedruckt hatte. Eine vollständige Biografie, zusammengebastelt aus Fragmenten, die ich auf der Website des Universitätsklinikums Lausanne fand, und aus Artikeln, die ich aus Schweizer Zeitungen zusammentrug.
       Geboren 1942 im Kanton Luzern. Studium in Zürich, medizinische Fakultät, Herz- und Gefäßchirurgie, bis 1969. Anschließend, von 1970 bis 1972, Harvard. Dann Frankreich, wo er in der chirurgischen Klinik des Städtischen Krankenhauses Bordeaux (1973-1978) arbeitet. Schließlich Rückkehr in die Schweiz ans Universitätsklinikum Lausanne, wo er 1981 zum Chefarzt der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie ernannt wird.
       Ich überfliege seine zahllosen Auszeichnungen, die Konferenzen und Seminare weltweit. In den Artikeln suche ich nach einem Schatten, einer Bruchlinie. Nichts. Kein Hinweis auf einen Hang zur Esoterik. Keinerlei Probleme in den Kliniken, in denen er arbeitet. Nicht der Hauch eines Verdachts, kein Makel, auf keinem Gebiet.
       Unverheiratet, keine Kinder. Der Mann geht voll und ganz in seinem Beruf auf. Ein genialer Wissenschaftler, auf den die Schweiz stolz ist; ein Arzt, der wie am Fließband Leben rettet.
       Ich betrachtete die Fotos in den Artikeln. Rundes Gesicht, das glatte Haar in die Stirn gekämmt, dicke Brillengläser. Ein Pudelgesicht, das etwas Undurchsichtiges, Verborgenes, Falsches ausstrahlte. Der »Höllengast«?
       Unmöglich, die Frage zu beantworten.
       Weder so noch so.
        
    Lausanne.
       Bei der ersten Leihwagenfirma entscheide ich mich für einen Mercedes der E-Klasse, um unter den Schweizer Limousinen nicht aufzufallen. Bevor ich losfahre, höre ich meine Mailbox ab. Keine Nachricht. Keine Neuigkeit von Manon oder meinen Männern.
       Ich brause los und schlucke meine Wut hinunter.
       Wenn Corine Magnan sie noch eine weitere Nacht dabehält, werde ich sie selbst herausholen.
       Auf dem Weg zur Klinik fahre ich vorbei an Hügeln und durch Straßen, über denen die Stromleitungen der Tram hängen. Das Gelände der Klinik für Herzchirurgie taucht auf. Weiße Fassaden, Zen-Gärten, Kugelleuchten und Zwergkiefern.
       Ich gehe hinauf in den ersten Stock und treffe dort meine Studentin mit ihrer Tic-Tac-Schachtel.
       »Hallo!«, entfährt es ihr. »Sie hatten doch gesagt, dass Sie nicht zurückkommen.«
       »Also«, sagte ich verlegen. »Ich muss unbedingt mit Dr. Beltreïn sprechen.«
       »Sie haben ihn gerade verpasst. Er war hier und ist gleich weitergefahren.«
       »Haben Sie seine Privatadresse?«
       Sie erhob sich und setzte ein reizendes Lächeln auf:
       »Was Besseres. Er fährt nicht in seine Wohnung in Lausanne, sondern in sein Chalet in Riederalp.«
       Ich zog den Plan der Leihwagenfirma aus der Tasche und breitete ihn auf der Theke aus.
       »Wo ist das?«
       Die junge Frau bemerkte, dass meine Hände zitterten, enthielt sich aber jeden Kommentars. Sie deutete mit dem Zeigefinger auf eine Stelle.
       »Hier, hinter der Stadt Bulle.«
       Ich nahm einen Kugelschreiber und zog einen Kreis um den Namen der Ortschaft.
       »Wenn ich dort bin, wie finde ich das Chalet?«
       »Das ist leicht«, sagte sie, während sie meinen Schreiber nahm und die Route einzeichnete. »Sie fahren weiter Richtung Spiez. In Wessenburg fahren Sie links hinauf. Villa Parcossola: Es ist ausgeschildert, am Hang des Mont Gantrish. Parcossola heißt der Architekt, der die Villa geplant hat. Es ist bekannt in der Region.«
       Sie schien ziemlich genau im Bilde zu sein. Einen kurzen Augenblick fragte ich mich, ob sie vielleicht die Wochenenden bei ihm verbrachte … Die Pfefferminzfrische ihres Atems regte meine Sinne an.
       »Schauen Sie wieder mal vorbei?«
       Die Waagschalen stiegen und sanken noch immer in meinem Kopf. Beltreïn, ein Serienmörder: ja oder nein?
       »Dieses Mal ist es wirklich unwahrscheinlich.«
       »Das haben Sie schon beim letzten Mal gesagt.«
       »Das stimmt. Inch’ Allah. «
       Ich entfernte mich im Laufschritt.
       Der kalte Schweiß brach mir aus, und ich schnaufte.
       Wieder

Weitere Kostenlose Bücher