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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Gewölben befanden sich Schaufenster: Kasse, Souvenirläden, Bar-Restaurant. Geschlossen mit einem großen Gitter. In der Nähe des Verkaufsschalters sah ich einen Lichtstreifen unter einer Tür. Und, als ich die Ohren spitzte, auch das Brummen eines Radios. Ich rüttelte so lange an dem Gitter, bis es einen Höllenlärm machte.
       Ein Mann tauchte auf. Struppig, stoppelig, auf Hundertachtzig – der gleiche Typ wie der Wächter des Rathauses von Sartuis.
       »Sie spinnen wohl!«
       Ich hielt ihm durch das Gestänge meinen Dienstausweis unter die Nase. Er kam näher, sein Atem roch nach Kaffee.
       »Was wollen Sie?«
       »In die Höhle runter.«
       »Um diese Zeit?«
       »Machen Sie auf.«
       Murrend betätigte der Typ mit dem Fuß einen Mechanismus. Das Gitter ging hoch. Ich bückte mich, schlüpfte darunter hindurch und richtete mich vor ihm wieder auf. Sein Bart glänzte wie Stahlwolle.
       »Nehmen Sie eine Lampe, und führen Sie mich nach unten.«
       »Haben Sie ’n Papier, ’ne Vollmacht oder so was?«
       Ich schubste ihn:
       »Ziehen Sie sich an. Und vergessen Sie die Taschenlampe nicht.«
       Der Kerl drehte sich um und schlich seitwärts wie ein Krebs davon. Ich folgte ihm, um sicherzugehen, dass er nicht die Gendarmerie oder sonst jemanden anrief. Er verschwand in seiner Loge und kam mit einem Scheinwerfer samt Schultergurt zurück. Er trug khakifarbenes Ölzeug und hielt mir ebenfalls eine Öljacke hin:
       »Dürft’ Ihre Größe sein. Unten isses richtig feucht.«
       Ich streifte den Poncho über: Er passte mir wie ein Leichentuch.
       »Hab unten Licht gemacht. Hier habn wer jeden Tag Weihnachten!«
       Er ging um mich herum und trottete in den Gang hinein, der in die Grotte führte. Am Ende des Gangs kamen die schwarzen Querstangen eines weiteren Gitters zum Vorschein. Ein Lastenaufzug, wie ihn früher die Bergleute benutzt hatten. Mein Führer hantierte an seinem Schlüsselbund und schloss die auf einer Rollschiene montierte Gittertür auf.
       »Hier lang geht’s runter.«
       Ich betrat die Kabine. Mein Page folgte mir und verschloss das Gitter. Mit einem anderen Schlüssel fummelte er am Armaturenbrett herum. Schon spürte man einen feuchten Luftzug von unten, der den Schlund unter unseren Füßen verriet. Die Plattform schwankte und sank dann hinab. Wir bewegten uns gleitend abwärts. Nach den ersten Metern zog der durch ein Drahtnetz gesicherte Fels an uns vorüber. Ich hatte das Gefühl, nicht nur in die Tiefen der Erde einzutauchen, sondern auch in vergessene Schichten der Zeit – in die Eiszeiten der Erde.
       Der Wärter leierte seine auswendig gelernten Sprüche herunter:
       »Wir sinken mit einer Geschwindigkeit von zwanzig Stundenkilometern. Bei diesem Tempo erreichen wir in drei Minuten eine Tiefe von tausend Metern und …«
       Ich hörte nicht hin. Mein Körper hielt mich auf dem Laufenden. Meine Lungen leerten sich, meine Trommelfelle knackten. Der Druck. Die schwarze, schwitzende Felskruste sauste noch immer mit schwindelerregendem Tempo an uns vorbei. Mein Führer warnte mich:
       »Strecken Sie bloß nicht die Hände raus. Wir hatten schon Unfälle. Die Stärke des Sogs …«
       »Haben Sie heute Nacht nichts gehört?«
       »Was denn?«
       »Ein Eindringling. Ein Besucher.«
       Er riss die Augen weit auf. Die Plattform hatte jetzt die höchste Sinkgeschwindigkeit erreicht. Ich empfand eine Art Trunkenheit. Wir fielen schwerelos. Schließlich bremste die Maschine ab, wobei die Kabel aneinanderscheuerten. Mein Körper wurde durch das Bremsmanöver zusammengestaucht. Mir drehte sich der Magen um, und ein übler Geschmack trat mir auf die Zunge. Der Mann öffnete das Eisengitter:
       »Minus tausend Meter. Alles aussteigen …«
       Ich wankte auf der Schwelle. Vor mir öffnete sich ein Gewölbe, von dem mehrere Stollen abzweigten. Neonröhren waren direkt am Fels befestigt. Neben einem der Durchgänge stand ein Schild mit der Aufschrift »Rundgang«. Mir wurde bewusst, dass ich den genauen Treffpunkt nicht kannte. DORT, WO ALLES BEGONNEN HAT. Ich fragte:
       »Nicolas Soubeyras, sagt Ihnen der Name etwas?«
       »Wer?«
       »Nicolas Soubeyras. Ein Höhlenforscher. Im Jahr 1978 in dieser Höhle tödlich verunglückt.«
       »Ich hab damals schon hier gearbeitet«, sagte der Mann und verzog das Gesicht. »Man spricht nicht drüber. Ist keine gute

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