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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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bringt mich ins Krankenzimmer, verabreicht mir Beruhigungsmittel. Und mir wird klar, dass ich nicht geheilt bin, dass ich es nie sein werde.
Januar 1996
    Ich verlasse das theologische Seminar und begebe mich in ein abgelegenes Kloster im Departement Hautes-Pyrénées. Innere Erfahrung. Transzendente Erkenntnis. Suche nach dem Wort Gottes. Bei den Zisterziensern finde ich Kraft, Hoffnung und Lebensmut. Bis zu dem Tag, an dem mir diese Routine nicht mehr genügt.
       Nach allem, was ich gesehen habe, kann ich es nicht dabei bewenden lassen, niederkniend den himmlischen Vater anzurufen, während auf Erden der Teufel regiert. Die Mönche um mich herum wissen nicht um die Abgründe der menschlichen Seele. Ich habe andere Gefilde bereist. Ich habe das wahre Gesicht des Menschen gesehen. Abgezogene Haut, gepelltes Muskelfleisch, zerhackte Gliedmaßen. Der nicht zu bändigende Hass des Menschen. Seine grenzenlose Gewalttätigkeit. Man muss den Menschen vom Bösen kurieren, und dies könnte ich nicht in klösterlicher Stille und Abgeschiedenheit bewerkstelligen.
       Da erinnere ich mich an Luc.
       Zwei Jahre lang habe ich praktisch nicht an ihn gedacht. Ich sehe ihn vor mir, ich höre seine Stimme, mit neuer Deutlichkeit. Luc war mir immer um eine Länge voraus gewesen. Er hat immer die erschütternden, widersprüchlichen, unterschwelligen Wahrheiten erahnt. Jetzt begreife ich, dass ich seinem Weg folgen muss.
September 1996
    Ich trete in die ENSOP ein, die Nationale Führungsakademie für Polizeioffiziere, in Cannes-Ecluse im Departement Seine-et-Marne, auch »Rabeninsel« genannt, weil dort jeder uniformiert ist. Das Umfeld ist mir nicht völlig fremd. Ich habe die Soutane getragen. Jetzt trage ich die marineblaue Uniformjacke. Nachdem ich das anfängliche Misstrauen meiner Ausbilder zerstreut habe – mit meinen Diplomen wäre ich eigentlich für Saint-Cyrau-Mont-d’Or, »die Kommissarschmiede«, qualifiziert gewesen –, sprechen meine Prüfungsergebnisse für sich.
       In allen Fächern erziele ich Bestnoten. Strafrecht. Verfassungsrecht. Zivilrecht. Prozessrecht. Geisteswissenschaften. Kein Problem. Ganz zu schweigen von Sport. Leichtathletik, Schießen. Nahkampf … Mein asketischer Lebensstil, meine Abhärtung machen mich zu einem gefürchteten Gegner.
       Doch erst während des Praktikums am Ende des Studiums offenbart sich meine größte Stärke: meine Begabung für die praktische Polizeiarbeit. Die intuitive Erfassung des Tathergangs aus den Spuren am Tatort, das Hineinversetzen in die Persönlichkeit des Täters und der »Jagdinstinkt« … Vor allem aber: Die Fähigkeit zur Tarnung. Obgleich ich aussehe wie eine Bohnenstange und einen intellektuellen Hintergrund habe, passe ich mich wie ein Chamäleon an meine Umgebung an: Ich spreche die Sprache der übelsten Gangster und kann mich mit dem schlimmsten Abschaum anfreunden.
Juni 1998
    Ich schließe als Jahrgangsbester ab. Ich bin jetzt einunddreißig. Aufgrund dieses ersten Platzes darf ich mir unter den offenen Stellen einen Dienstposten beziehungsweise eine Einheit auswählen. Einige Tage später lässt mich der Direktor der Akademie zu sich kommen.
       »Sie haben sich für das Dezernat für Sexualstraftaten entschieden?«
       »Na und?«
       »Eine zentrale Dienststelle interessiert Sie nicht? Das Innenministerium?«
       »Wo liegt das Problem?«
       »Man hat mir gesagt … Sie sind Katholik, oder?«
       »Ist das etwa ein Hindernis?«
       »Sie werden beim DSS mit Fällen zu tun haben, die nicht sonderlich erfreulich sind …«
       Er zögert, dann lacht er altklug:
       »Ich habe zehn Jahre im DSS gearbeitet. Das ist eine Welt für sich. Ich bin mir nicht sicher, ob die verkommenen Individuen, denen man dort über den Weg läuft, einen Polizisten mit Ihren Fähigkeiten brauchen.«
       Ich erwidere sein Lächeln und beuge meine 1,90 Meter zu ihm herab:
       »Sie haben nicht verstanden. Ich brauche sie.«
September 1998
    Ich vertiefe mich in die Geheimnisse des Lasters. Innerhalb weniger Monate erweitert sich mein Wortschatz. Koprophilie: Sexueller Lustgewinn beim Anblick oder Kontakt mit Kot. Undinismus: sexueller Lustgewinn beim Anblick oder Kontakt mit Urin. Zoophilie: Ich bekomme eine Vielzahl von Kassetten in die Finger, bei denen sich jeglicher Kommentar erübrigt. Nekrophilie: Es gelingt mir, mitten in der Nacht auf dem Friedhof Montparnasse ein paar Leichenschänder in flagranti zu stellen.
       Mein

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