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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Versammlung im vertrauten Kreis zu tun, die Laure vorgeschwebt hatte …
       Ich bezweifelte, ob Luc all diese hohen Tiere persönlich kannte, aber man musste Flagge zeigen. Die Kader wollten demonstrieren, dass sie hinter ihren Mitarbeitern standen, und alle wollten ihre Solidarität gegenüber dieser »Verzweiflungstat« bekunden. Der Polizeipräfekt, Jean-Paul Proust, schritt Seite an Seite mit Martine Monteil, der Chefin der Kripo, durch den Mittelgang. Hinter ihnen folgte Nathalie Dumayet in einem eleganten dunklen Mantel. Sie überragte die beiden um Haupteslänge.
       Dieser Aufmarsch war für mich eine wahre Tortur. Luc wurde beerdigt, noch bevor er seinen letzten Atemzug getan hatte. Diese abgeschmackte Feier würde ihm Unglück bringen! Außerdem war das hier der reinste Atheisten-Verein. Keiner der Anwesenden war gläubig. Luc hätte diese Maskerade verabscheut.
       In den ersten Reihen rechts saßen die Männer seines Teams. Doudou, den Kopf eingezogen, mit angsterfülltem Blick; Chevillat, kerzengerade, die Augen hinter Haarsträhnen verborgen, in einem langen, weiten Ledermantel; Jonca, der einem Hell’s Angel glich, stoppelbärtig, herabhängender Schnauzbart und fettiges Haar unter einer Baseballkappe. Drei Polizisten, mit allen Wassern gewaschen, hart, gefährlich, »Borderliner«.
       Noch immer strömten Menschen in die Kirche, in der das Gemurmel und das Rascheln der Mäntel immer lauter zu hören waren. Doudou verließ seinen Platz. Ich folgte ihm mit meinem Blick. In der Nähe des Beichtstuhls, ganz rechts, trat er zu einem Mann. Vierschrötig, graues Bürstenhaar. Er trug einen dreiviertellangen schwarzblauen Regenmantel. Sein ganzes Gebaren deutete darauf hin, dass er eine unsichtbare Uniform trug, aber nicht die der Polizei. Plötzlich begriff ich, dass er ein Priester war, ein Geistlicher in Zivilkleidung.
       Ich ging um die erste Stuhlreihe herum und durchquerte das Mittelschiff. Ich war nur noch zehn Meter von den beiden Männern entfernt. In diesem Moment ließ Doudou einen Gegenstand in die Hände des anderen gleiten. Eine Art Federkasten aus lackiertem Holz.
       Ich ging schneller, als mich eine Hand am Ärmel fasste.
       Laure.
       »Was machst du? Du sitzt neben mir.«
       »Selbstverständlich«, sagte ich lächelnd. »Wo willst du dich hinsetzen?«
       Ich folgte ihr, während ich einen weiteren Blick auf die Verschwörer warf. Doudou kehrte bereits an seinen Platz zurück, der Mann in Blau bekreuzigte sich hinter einer Säule. Verblüffung. Er schlug ein umgekehrtes Kreuzzeichen, das nicht an der Stirn, sondern an der Brust begann. Es ist das Symbol des Antichristen und wird von gewissen Satanisten praktiziert. Laure stellte mir eine Frage.
       »Verzeihung?«
       »Hast du einen Text ausgewählt?«
       »Was für einen Text?«
        
    »Ich dachte, du würdest einen Auszug aus dem Brief an die Korinther vorlesen …«
       Erneuter Blick nach rechts: Der Mann war verschwunden. Mist. Ich murmelte:
       »Nein … Falls es dir nichts ausmacht, würde ich …«
       »Schon gut«, meinte Laure kühl. »Dann werde ich ihn eben vorlesen.«
       »Tut mir leid, ich habe kein Auge zugetan.«
       »Meinst du vielleicht, ich hätte gut geschlafen?«
       Sie wandte sich dem Altar zu. Das schlechte Gewissen peinigte mich. Ich war der einzige gläubige Christ unter den Versammelten, und ich war nicht imstande, ein paar Zeilen vorzulesen. Aber die Fragen, die ich mir stellte, drängten alles andere in den Hintergrund: Wer war dieser Mann? Was hatte ihm Doudou gegeben? Weshalb hatte er sich umgekehrt bekreuzigt?
       Der Gottesdienst begann. Der Priester, der eine mit dem Osterlamm verzierte Albe trug, breitete die Arme aus. Ein reinrassiger Tamile. Nasenlöcher, groß wie Münzen, feuchte schwarze Augen, die eine eigenartige Mattigkeit ausstrahlten. In schrillem Tonfall hob er an:
       »Meine Brüder, wir haben uns heute versammelt …«
       Ich spürte plötzlich, wie die Müdigkeit wieder in mir aufstieg. Auf ein eindeutiges Zeichen des Priesters hin setzten sich alle. Schon entfernte sich die eintönige Stimme. Da weckte mich das Rascheln von Papier wieder auf. Alle blätterten in den Seiten, auf denen die Lieder des Tages abgedruckt waren. Der Priester sagte:
       »Wir singen jetzt den dritten Lobgesang.«
       In der Messe zu Ehren meines besten Freundes einzuschlafen … Ich warf einen Blick in Richtung Doudou. Er

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