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Das Herz der Puppe

Das Herz der Puppe

Titel: Das Herz der Puppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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rastet, der rostet.«
    »Und wer hastet, hat sie nicht mehr alle«, knurrte Widu, die frische Luft nicht ausstehen konnte. Trotzdem wollte sie Nina begleiten, weil sie seit einer Ewigkeit nicht mehr in einem Friseurgeschäft gewesen sei, wie sie sagte.
    »Stimmt genau«, rief Nina und lachte über Widus schönen Spruch, den Tante Olga zum glück nicht hatte hören können.
    »Kluges Mädchen«, sagte die Tante zufrieden.
    Auf dem Weg durch den Park regte sich Tante Olga auf, als sie einen großen Hund dabei ertappte, wie er seine Würste mitten auf dem Weg hinterlassen wollte. Der Besitzer war ein Mann in schwarzen Lederkleidern, der daneben stand und rauchte, als gingen ihn die geschäfte seines Hundes überhaupt nichts an.
    »Dem fiesen Dobermann mach ich Beine«, flüsterte Widu und starrte den Hund mit funkelnden Augen an.
    Genau da zischte Tante Olga: »Wirst du wohl aufhören, schreckliches Tier!«
    Und schon winselte der große Hund erbärmlich und rannte davon, als wäre der Teufel hinter ihm her. Sein Besitzer rannte ihm nach, und Nina und die Tante hörten ihn noch lange rufen. »Ringo, hierher!«, rief er, und er klang echt sauer. »Ringo …!«
    »Das hast du gut gemacht, Tante Olga«, sagte Nina.
    »Ist doch auch wahr, immer diese Stinkminen überall«, sagte Tante Olga.
    Widu lachte. » Stinkminen ist gut.«
    Sonst sagte Widu nichts, auch im Friseurgeschäft nicht, in dem sie sich nur die ganze Zeit neugierig umschaute. So erfuhr Nina erst am Abend im Bett, dass Widu dem Dobermann mit der Stimme eines grimmigen Löwen gedroht hatte.

Warum Widu stumm blieb
    Im neuen Schuljahr wurde einiges anders: Drei Mädchen, mit denen sich Nina gerade ein wenig angefreundet hatte, verließen die Schule, weil sie in andere Städte und eins sogar in ein anderes Land umziehen sollten. Als ob das nicht schon genug gewesen wäre, verließen auch noch zwei Lehrerinnen die Schule, eine, weil sie ein Baby erwartete, die andere, weil sie mit ihrem Mann nach Amerika auswanderte. gerade die beiden waren immer freundlich, witzig und gerecht gewesen und hatten Ninas Leben an der neuen Schule ein bisschen leichter gemacht.
    Die Mutter merkte bald, dass Nina immer weniger Lust hatte, zur Schule zu gehen, aber sie dachte, das würde sich wieder legen. Es legte sich aber nicht.
    Eines Tages kam Nina besonders schlecht gelaunt von der Schule nach Hause. Sie hatte die neue Klassenlehrerin, Frau Wagner, schon vom ersten Tag an nicht gemocht, aber heute war es richtig schlimm gewesen. Anders als die frühere Klassenlehrerin, wurde Frau Wagner schnell zornig. Ihr gesicht färbte sich dann dunkelrot, ihre Wangen blähten sich auf, und die Adern am Hals schwollen an, als schlängelte sich eine Schlange durch sie hindurch. Fast bekam man Angst, Frau Wagner könnte explodieren.
    Heute war sie erst zornig gewesen, dann hatte sie Nina eine schlechte Note gegeben, viel schlechter, als Nina sowieso befürchtet hatte, und jetzt schimpfte auch noch die Mutter.
    Nina rannte in ihr Zimmer, knallte die Tür hinter sich zu und warf sich aufs Bett. Sie wollte niemanden sehen und mit niemandem sprechen. Alle schienen sie immer nur ärgern zu wollen, und am schlimmsten war die Schule! Am liebsten ginge sie da nie wieder hin. Als die Mutter nach ihr rief und fragte, ob sie nichts essen wolle, rief Nina zurück: »Nein, ich will überhaupt nichts mehr essen, nie mehr!«
    Wie lange sie so dalag, wusste sie nicht. Irgendwann aber spürte sie etwas in ihrem Rücken. Sie richtete sich auf und sah Widu. »Oh, entschuldige bitte!«, sagte sie und streichelte der Puppe über den Kopf. »Warum hast du denn keinen Pieps von dir gegeben?«
    »Ich kann nur mit jemand reden, der mich mag, und du magst schon eine ganze Weile gar niemand mehr, heute nicht mal dich selbst. Deshalb hast du mich auch fast platt gedrückt. Das kommt vom Zorn! Erst als er verraucht war, hast du mich überhaupt wieder gespürt.«
    Nina lachte. »Aber dich mag ich doch immer«, sagte sie und drückte die Puppe fest an ihr Herz.
    »Schon gut, deshalb musst du mich noch lange nicht platt drücken wie eine Pizza.«
    »Die Puppe ist heute zickig«, rief der Papagei.
    »Wenn sie als Pizza gut schmeckt, ist es mir wurst«, rief das Nilpferd.
    »Hier gibt’s keine Pizza Widu. Merkt euch das!«, sagte Nina und streichelte der Puppe den Kopf.
    Im selben Augenblick spürte sie, was für einen Hunger sie hatte. Hand in Hand mit Widu ging Nina in die Küche. Die Angst, dass ihre Mutter wieder mit ihr

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