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Das Herz der Puppe

Das Herz der Puppe

Titel: Das Herz der Puppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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sein«, flüsterte Widu.
    »Abrakadabra?«, schlug Nina vor.
    »Nein, verflixt noch mal! Wie heißt das Zauberwort, das kleine Kinder sagen müssen, damit sie bekommen, was sie wollen?«
    »Ach so«, sagte Widu. » Sesam öffne dich! Das muss es sein.«
    »Sesam öffne dich!«, sagte Nina und erschrak, als die Tante mit der flachen Hand auf den Tisch schlug. Sie senkte ängstlich den Kopf und sah erst, als sie wieder aufschaute, dass Tante Olga vor Lachen die Tränen über die Nase liefen.
    » Bitte heißt es, bitte! Bitte! « rief sie und japste nach Luft. »Aber Simsalabim wäre auch nicht schlecht. Ach, Kind, ich könnte mich totlachen. Dir kann man wirklich nicht böse sein.«
    Nina umarmte Widu, und die drei lachten zusammen, bis es Zeit wurde, ins Bett zu gehen.

Eine Freundin verlieren
    Es passierte kurz vor Weihnachten . Nina begleitete ihre Mutter durch die Stadt, und die Mutter war gehetzt, weil sie das, was sie dem Vater schenken wollte, in mehreren geschäften nicht gefunden hatte. Sie rannten von der Straßenbahn zum Bus, fuhren zwei Stationen, stiegen in die U-Bahn um und fuhren, kaum dass sie wieder aufgetaucht waren, mit einer anderen Straßenbahnlinie noch einmal drei Stationen weiter. – Und irgendwo auf diesem langen Weg verlor Nina ihre Puppe. Erst in der letzten Straßenbahn merkte sie, dass ihr etwas fehlte. Sie starrte auf ihre leere Hand. Entsetzt schrie sie auf und wollte auf der Stelle wieder aussteigen, doch das ging natürlich nicht.
    Und die Mutter war mit den Nerven am Ende. Wie, um Himmels willen, sollten sie die Puppe wiederfinden? Ohne große Hoffnung wandten sie sich an den Straßenbahnfahrer. Und der beleibte Mann lächelte.
    »Keine Angst, alle Puppen gehen zum alten Moritz«, sagte er, und als er ihren fragenden Blick sah, fügte er hinzu: »Fragen Sie in zwei, drei Tagen beim alten Moritz im Fundbüro nach. Sie finden es in dem kleinen Haus mit dem roten Dach neben der Kreuzkirche.«
    Nina wollte auf der Stelle dorthin, aber die Mutter erinnerte sie daran, was der freundliche Straßenbahnfahrer gesagt hatte: in zwei, drei Tagen.
    Ninas Vater rief später am Tag trotzdem im Fundbüro an, vorsichthalber, wie er sagte. Der alte Herr Moritz sei ein merkwürdiger Kauz, erzählte er hinterher. Er gebe nicht gern Antworten am Telefon, habe er gesagt. Sie sollten in zwei, drei Tagen auch gar nicht erst noch mal anrufen, sondern lieber gleich selbst vorbeikommen. »Und auch Nina soll unbedingt mitkommen«, sagte der Vater kopfschüttelnd. »Der Alte will sehen, ob Nina auch zu der Puppe passt. genau das hat er gesagt – komisch, oder?«
    »Jetzt erinnere ich mich«, sagte die Mutter nachdenklich. »Unsere frühere Nachbarin Barbara hatte vor Jahren einmal Streit mit ihm, weil er die Puppe ihres Sohnes Christian nur ihm selbst aushändigen wollte. Und als sie dann dort waren, hatte sie das gefühl, als würde der Alte die Puppe nur ungern zurückgeben.«
     
    Drei Nächte musste Nina danach allein in ihrem Bett schlafen, und ohne Widu war es nicht nur langweilig – auch ihre Albträume kehrten zurück. Sie wachte nachts auf und schrie, weil entweder ein böser Junge ihre Puppe quälte oder ein Hund der Puppe den Kopf abbiss oder andere schreckliche Dinge passierten.
    Tagsüber lief Nina durch die Wohnung und rief nach Widu, als könnte die Puppe sie hören: »Widu, ich bin’s, ich hab dich doch lieb, komm bitte zurück!«
    Ihre Mutter machte sich Sorgen, denn Nina sah müde und verzweifelt aus und hatte auf nichts Lust, nicht einmal auf Schokolade. Weil sie Widu nicht verraten wollte, wie sie es nannte, nahm sie auch keins von ihren Kuscheltieren mit ins Bett.
    Lulu, ihre Freundin, versuchte sie zu trösten und bot ihr Nunu an, aber Nina wollte niemand anderen als Widu.
    Und ausgerechnet jetzt musste ihre Mutter zu einer Steuerberatertagung nach München! Nina fühlte sich so einsam wie noch nie. Es waren die drei schlimmsten Nächte ihres Lebens.
     
     

Nina schlaflos
    Ninas Mutter war also zu ihrer Tagung nach München gefahren. Sie dauerte nur zwei Tage, aber die kamen Nina wie zwei Jahre vor, obwohl sich Ninas Vater große Mühe gab. Er hatte Urlaub genommen und beschlossen, bei Nina zu bleiben. Auch Lulu war nicht da. Sie war mit ihren Eltern zu Besuch bei einer Tante in Berlin.
    Um sieben Uhr am ersten Abend sollte Nina ins Bett. Um halb acht warf ihr Vater einen Blick in ihr Zimmer, aber sie war immer noch wach.
    »Du musst schlafen«, sagte der Vater, »sonst bist du morgen

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