Das Herz der Savanne - Afrika-Roman
das? Was soll der denn beim Interview? Keiner hat nach ihm gefragt.«
»Er war während des ganzen Abenteuers dabei, oder nicht? Ich wette, er weiß darüber mehr zu berichten als du und Corinne zusammen. Ohne ihn sage ich gar nichts«, erklärte Ruth und verließ eiligen Schrittes den Salon.
Vor dem Spiegel im Flur fuhr sie sich kurz durch das lange Haar, strich einmal über ihre Jeans, zupfte das Hemd zurecht und schlüpfte aus ihren derben Stiefeln, mit denen sie normalerweise gar nicht ins Haus durfte. Mit dem bestrumpften linken Fuß wischte sie über den rechten Stiefel, dann wechselte sie die Schuhe und tat dasselbe mit dem rechten Fuß und dem linken Stiefel. »So, fertig«, murmelte sie und ging hinaus.
Sie fand Horatio bei Santo in der Gerätehalle. Die Männer diskutierten darüber, wie es zu bewerkstelligen sei, die Felder gleichmäßig zu düngen.
»Wir brauchen eine Vorrichtung, die wir an den Trecker hängen. Auf die Ladefläche kommen die Tonnen mit dem Flüssigdünger, und von ihnen führt ein Schlauch hinaus«, erklärte Santo gerade.
»Das ergibt ein gleichmäßiges Rinnsal, aber keine ordentliche Düngung. Vielleicht wäre es doch besser, sich eine Düngemaschine zu leihen.«
Santo schüttelte den Kopf. »Würd ich nich’ machen. Macht zu viel Aufsehen. Ist sogar besser, wir düngen in der Nacht.«
Ruth trat zu den Männern und zog die Stirn kraus. »Warum das denn?«
Horatio legte ihr einen Arm um die Schulter: »Hallo, Liebes«, sagte er und küsste sie zart, bevor er weitersprach: »Weil alles, was anders gemacht wird als bei den Nachbarn, Misstrauen weckt. Wie willst du deine Käse verkaufen, wenn die anderen Farmer erzählen, du würdest die Wüste düngen?«
»Wenn es doch richtig ist?«
»Das ist egal. Als richtig gilt hier, was alle machen. Das weißt du doch.«
Ruth nickte. Dann fiel ihr das Interview wieder ein. »Kommst du mit ins Haus? Gleich kommen Journalisten von der Allgemeinen Zeitung , um ein Interview mit uns zu führen.«
Horatio nahm einen Lappen und wischte sich die Hände daran ab. »Geht es um das ›Feuer der Wüste‹?«, fragte er. Auch seinem Gesicht war abzulesen, wie viel lieber er sich weiter um seine Arbeit kümmern würde.
»Ja«, erwiderte Ruth. »Etwas anderes interessiert die Leute an uns nicht.«
Horatio spitzte die vollen Lippen und sah einen Moment ins Leere. Dann seufzte er ergeben. »Haben Mama Elo und Mama Isa gerade zufällig einen frischen Ziegenkäse da?«
»Bestimmt«, erwiderte Ruth. »Aber was hat das mit der Zeitung zu tun?« Im nächsten Augenblick schlug sie sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Ah, jetzt verstehe ich! Du meinst, wir sollten die Journalisten unsere Käse kosten lassen, damit sie darüber in ihrer Zeitung schreiben?«
Horatio nickte.
Ruth hieb ihm fröhlich auf die Schulter, obwohl sie ihm viel lieber zärtlich über die Wange gestreichelt hätte. Aber nicht vor Santo oder sonst einem Menschen! Es reichte schon, dass Horatio sie eben zur Begrüßung geküsst hatte. »Für einen Stadtmann hast du verdammt gute Einfälle.« Sie eilte in die Käserei, wies die beiden Frauen an, einige kleine Ziegenkäsetaler zu formen und diese mit Honig zu überziehen. »›Das Feuer der Wüste‹«, erklärte sie ihnen. »Wenn es den Diamanten schon nicht mehr gibt, so gibt es doch seinen Namen. Und den kennt mittlerweile jeder hier in Südwest. Das sollten wir ausnutzen.«
Mama Elo und Mama Isa nickten begeistert und machten sich auf der Stelle an die Zubereitung. Ruth stand daneben und sah zu, wie Mama Elo aus der Frischkäsemasse mit einem Löffel kleine Kugeln ausstach. »›Feuer der Wüste‹«, murmelte Mama Isa vor sich hin. »›Feuer der Wüste‹. Ein Feuer muss doch brennen, oder? Also brauchen wir Pfefferkörner. Pfeffer und Honig. Roten Pfeffer und Honig. Scharf und süß. So muss es sein.«
Mama Elo betrachtete Ruths leuchtende Wangen und ihre strahlenden Augen. »Wird wohl Zeit, dass wir auch einen ›Käsetaler der Liebe‹ herstellen, was?«
Ruth spürte die Röte in ihr Gesicht schießen. »Ach, seht einfach zu, dass das Wüstenfeuer rasch auf den Tisch kommt! Und gebt euch Mühe, hört ihr?«
Eine halbe Stunde später balancierte Ruth einen Teller mit einem Dutzend Ziegenkäsetalern ins Haus. Sie wusch sich rasch die Hände und kämmte sich das Haar. Mama Elo muss mir die Spitzen schneiden, dachte Ruth, während sie sich mit einer Haarsträhne sanft über die Wange fuhr. Am besten noch heute Abend.
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