Das Herz der Savanne - Afrika-Roman
trauen.«
Corinne verstand. »Es geht ums Geld, nicht wahr? Seien wir doch mal ehrlich. Niemand wird mehr mit Willem Geschäfte machen wollen, wenn publik wird, dass ein Schwarzer in der Familie das Zepter schwingt.«
»Willem, Willem!« Rose Salden wedelte mit der Hand, als wolle sie eine Schmeißfliege verscheuchen. »Ich höre immer nur Willem. Wo ist er eigentlich, der Vater deiner Kinder?«
Corinne zog einen Schmollmund. »Du weißt genau, dass er wegen dringender Geschäfte zurück nach Swakopmund musste.«
»Aha«, erwiderte Rose und sah ihre Tochter mit leiser Verachtung an. »Und wo macht er die Geschäfte? In eurer wundervollen Villa?«
Corinne schluckte, betrachtete ihre Fingernägel, von denen der rote Lack blätterte. Dann zog sie an einem losen Faden ihres Bademantels. »Du weißt doch längst, dass wir nicht so reich sind, wie wir es gern wären. Willem steht noch am Anfang seiner Karriere. Aber es geht aufwärts. Du wirst sehen, bald leben wir tatsächlich so, wie ich es dir immer vorgemacht habe.«
»Und gerade weil euer Aufstieg so rasant ist, wollte sich Willem Geld von mir leihen, nicht wahr? Du kannst dir sicher denken, warum ich ihm nichts gegeben habe! Einem Mann, der seine Schwiegermutter anpumpen muss, ist in keiner Hinsicht zu trauen.«
Corinne wich dem Blick ihrer Mutter aus, betrachtete stattdessen wieder ihren verschlissenen Bademantel: »Darum geht es jetzt nicht. Wir sollten uns zuerst um Horatio kümmern. Was der plant, möchte ich lieber gar nicht wissen.«
»Und hast du einen Vorschlag?«, fragte Rose.
»Na ja, wir müssen ihn bei Ruth in Misskredit bringen. Sie muss endlich erkennen, dass die Schwarzen uns nur schaden.«
»Und wie willst du das anstellen?« Rose betrachtete ihre älteste Tochter erneut mit Missfallen und schüttelte den Kopf. Sie war so stolz gewesen auf Corinne mit ihrem reichen Mann und den beiden tollen Kindern. Und jetzt hockte ihre älteste Tochter am späten Vormittag ungewaschen und ungekämmt vor ihrem leeren Frühstücksteller. Corinne wirkte schon mit ihren knapp dreißig Jahren verbraucht: Tiefe Falten reichten von der Nase bis zu den Mundwinkeln, ihre Haut war großporig, die Haare waren strohig. Außerdem sprach sie zu laut und lachte zu schrill und trug Kleider, die nicht nur schlecht saßen, sondern auch aus Stoffen gefertigt waren, die Rose nicht einmal für Vorhänge akzeptieren würde. Und dümmer als Ruth war sie auch noch.
Rose stöhnte. So lange hatte sie sich danach gesehnt, ihre Corinne zu sehen. Sie hatte mit ihr nach Gobabis fahren und im Hotel mit ihr angeben wollen. Alle Nachbarn sollten sehen, was für eine schöne, erfolgreiche und elegante Tochter sie hatte. Jetzt hatte sie Corinne endlich bei sich; sie war gleich nach Margarets und Ruths Rückkehr nach Salden’s Hill gekommen – und lag ihrer Mutter seitdem nicht nur auf der Tasche, sondern war, bei Licht besehen, auch in jeder anderen Hinsicht eine herbe Enttäuschung. Rose seufzte erneut. Das Leben war einfach nicht gerecht. Besonders, wenn sie an ihre Töchter dachte. Denn wenn Rose ehrlich war, so war sie auch mit Ruth nicht zufrieden. Am Anfang, gleich nach Ruths Abenteuer, war sie so stolz auf ihre jüngere Tochter gewesen. Es war ihr sogar gelungen, Ruth mit Margarets Augen zu sehen und sie als eine stolze, eigensinnige, aber grundehrliche und verlässliche junge Frau anzuerkennen, die wusste, was sie wollte. Rose hatte so gehofft, dass Ruth ein neues, besseres Leben wollte. Als Ruth ihr die Farm abgekauft hatte, hatte Rose gehofft, Ruth würde Salden’s Hill in ein Schmuckstück verwandeln, in ein Hotel oder etwas anderes, das etwas hermachte. Aber Ruth hatte die dreckigen Schafe und Kühe nicht nur behalten, sondern den Viehbestand noch erweitert. Statt Kleidern und Schmuck hatte sie neue Maschinen angeschafft, statt Möbel und Dekorationen auszusuchen, eine komplette Käseküche eingerichtet. Das Schlimmste aber war, dass sie Horatio mitgebracht hatte und Rose seither das wundervolle Herrenhaus mit einem Schwarzen teilen musste, ohne etwas dagegen unternehmen zu können.
Horatio war der Einzige, der bemerkt hatte, wie sehr sich Ruth seit dem gemeinsamen Abenteuer verändert hatte. Horatio. Er sah alles, verstand alles, und Ruth lächelte jedes Mal, wenn sie an ihn dachte. Auch jetzt stand sie, gekleidet in ihren üblichen Arbeitsoverall, auf der Lämmerweide und lächelte versonnen. Sie warf ihr Haar zurück, das lange, wilde Haar, das sie offen trug, seit
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