Das Herz des Drachen
versetzte er Tommy noch einen letzten Schlag zum Abschied.
„Du glaubst, du bist etwas Besseres als ich“, sagte er. „Aber du bist nur ein Narr, der Glück hatte.“
Tommy schüttelte angeekelt den Kopf und antwortete nicht. Er drückte mit dem Finger auf die Gegensprechanlage, die ihn mit dem Foyer außerhalb des Büros verband, wo sein letzter noch lebender Vertrauter – Benny Hao – wartete.
„Komm rein“, sagte er auf Englisch.
Hao, ein breitschultriger, muskulöser, imposanter Kerl stolzierte ins Zimmer.
„Ja, Boss?“
„Sag Mai-Lin, dass sie alles über ‚das Herz des Drachen‘ herausfinden soll, was sie kann.“
Für einen kurzen Augenblick lachte Benny, dann bemerkte er, dass Tommy nicht in sein Lachen einstimmte und hörte auf.
„Bist du sicher, Boss?“, fragte er zaghaft. „Ich dachte, das wäre nur so eine Geschichte.“
„Vielleicht – aber ich will sichergehen.“
„Äh, okay.“ Er ging zur Tür, dann drehte er sich um. „Oh, und Al ist draußen.“
„Was will der denn?“
„Sagt, er hätte einen Termin.“
Gerade als er Benny sagen wollte, er solle Al in den Kopf schießen, erinnerte er sich, dass er sich tatsächlich mit Al verabredet hatte. Er hatte es über diesem Durcheinander mit den vier Toten nur vergessen.
„Scheiße, gut“, fauchte er. „Schick den kleinen Trottel rein.“
Nickend verließ Benny den Raum.
Einen Moment später kam Al herein. Er trug ein Polohemd, Jeans und Mokassins. Sein schulterlanges Haar hatte er zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden.
„Was willst du?“, fragte Tommy ungeduldig. Er konnte hören, wie Benny draußen im Foyer mit Mai-Lin telefonierte.
„Ich wollte dir einige Vorschläge unterbreiten, was die Abholung der Kollekte betrifft.“
Tommy blinzelte verwirrt.
„Was?“
„Du hast Probleme, das Schutzgeld einzutreiben, und ich glaube, ich weiß warum. Wir holen es immer am Ersten des Monats.“
Tommy konnte nicht glauben, dass er gerade dieses Gespräch führte.
„Al, ich weiß nicht, ob es dir aufgefallen ist, aber eine Menge unserer Leute sind tot .“
„Äh, okay. Ich wollte nur …“ Al räusperte sich und drängte weiter. „Wenn wir am Ersten kassieren, haben die Besitzer ihr Bargeld für gewöhnlich schon zur Bank gebracht und behaupten, sie hätten nichts in der Kasse. Wenn wir alles am ersten Samstag einsammeln, wird das besser funktionieren. Am Samstag sind die Banken geschlossen, also können sie nicht behaupten, dass sie kein Bargeld haben.“
So wütend er war, weil Al ihn unterbrochen hatte, musste Tommy doch zugeben, dass das keine schlechte Idee war. Das Schutzgeld am Ersten des Monats zu kassieren, war eine der Regeln des Alten, und Tommy hatte das aus Gewohnheit beibehalten.
Aber er war mehr als glücklich, sich von einer weiteren veralteten Praktik zu verabschieden.
Jetzt allerdings war nicht die Zeit dazu.
„Al, es ist eine gute Idee, aber nicht jetzt, okay? Wir machen das nächste Woche.“
Al sah geplättet aus.
„In Ordnung, Boss.“
Albert drehte sich zum Gehen um, aber Tommy hielt ihn auf.
„Hey, hast du etwas über so was wie das ‚Herz des Drachen‘ gehört?“
Albert Chao zuckte nur die Schultern.
„Nee – nie davon gehört.“
Dreizehn
John sah sich in dem Zimmer um, das man ihm in der Emperor Norton Lodge an der Ellis Street gegeben hatte. Es war wohl mal ein nettes Hotel gewesen, aber die Einrichtung sah aus, als stammte sie direkt aus den Sechzigern. Wäre John noch ein Teenager, wäre das wohl in Ordnung. Aber die Zeiten hatten sich geändert und Flower-Power-Tapeten sowie grelle Teppiche kamen einfach nicht mehr so gut.
Der Laden hatte sogar noch Telefone mit Wählscheibe. John war nicht bewusst, dass es die überhaupt noch gab.
Trotzdem, es war billig und das war alles, was zählte.
Es war zuerst alles gut gelaufen. Er und Mary hatten viel Geld gespart – okay, eigentlich wollten sie das College für Dean und Sammy davon bezahlen, aber das hatte jetzt eine geringere Priorität. Nachdem sie gestorben war, hatte er mit dem Geld seinen Rachefeldzug finanziert.
Er hatte nicht gedacht, dass das so lange dauern würde. Ein Jahr oder vielleicht zwei und nicht die sechs Jahre, die er jetzt schon dauerte.
Und es war kein Ende in Sicht. Das bedeutete, dass er fortwährend seine Ansprüche im Hinblick auf Hotels herunterschrauben musste. Nebenbei war man in billigen Absteigen wie dieser nicht so aufdringlich und stellte weniger Fragen.
Das Geld, das er bei der
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