Das Herz des Drachen
Tage werden schon nicht so viel ausmachen.“
John antwortete zuerst nicht. Stattdessen sah er zu Dean und Sam, die im Esszimmer Fangen spielten.
Weihnachten stand vor der Tür und er wollte die Feiertage mit den Jungs verbringen …
Aber wenn das hier alles war, was er brauchte, um das Herz des Drachen zu durchbohren, dann ging es höchstens um ein paar Tage. Er wäre rechtzeitig wieder da und hätte noch jede Menge Zeit.
„Kross gebraten, sagst du?“
Dann kam ihm ein Bild zurück ins Gedächtnis.
Seine Frau Mary klebte an der Decke, Blut strömte aus ihrem Bauch und ein Feuer umgab sie, das sie gleichzeitig verzehrte.
Er hatte sein Leben der Jagd nach ihrem Mörder gewidmet. Sicher, er hatte auch andere Gründe zum Jagen. Menschen starben durch die Hand von Monstern. Die meisten Menschen weigerten sich zu glauben, dass so etwas überhaupt existierte.
Mit achtzehn war John Winchester vom U.S. Marine Corps eingezogen worden. Er war gern gegangen, weil er an das glaubte, was seine Vorgesetzten ihn lehrten: Dass er als Marine Leben retten konnte. Ein Jahr in Vietnam hatte ihn davon kuriert, aber das Bedürfnis war immer noch da.
Trotzdem war Leben zu retten nur ein schöner Nebeneffekt. Als er aus Vietnam zurückgekommen war, hatte er nur einen einzigen Gedanken im Kopf: Ich möchte den Rest meines Lebens mit Mary Campbell verbringen. Und das tat er auch jahrelang, bis dieses Ding – Dämon, Monster, was immer es war – sie ihm weggenommen hatte.
Nein, der wahre Grund für sein Leben als Jäger – für das, was ihn Tag und Nacht antrieb – war herauszufinden, was seine Frau umgebracht hatte, und es ein für alle Mal zu erledigen.
Vielleicht würde das Herz des Drachen einen weiteren Hinweis liefern, wo er das Monster finden konnte. Dann würde er endlich die Rache nehmen können, nach der sein Herz schon seit sechs Jahren dürstete.
John wandte sich mit frisch gefasster Entschlossenheit zu Bobby um.
„Also, wann geht mein Flug?“
Zwölf
Tommy Shin hasste es, sich mit dem Alten herumzuschlagen.
Unglücklicherweise hatte er keine Wahl. Der Alte erwartete immer noch Respekt von den Leuten, mit denen er Geschäfte machte. Es gab einfach keine andere Möglichkeit, um seinen Crack-Kokain-Lieferanten ohne die Hilfe des Alten bei der Stange zu halten. Und es gab keinen in Chinatown, der dem Alten keinen Gefallen schuldete.
Also fand sich Tommy damit ab – er hatte einfach keine Wahl.
Eines Tages, sagte er sich, würde er endlich den Respekt errungen haben, den er verdiente und könnte den Alten in Rente schicken. Fürs Erste aber brauchte er ihn.
Besonders, wenn gerade nichts anderes los war.
Tommy rief den Alten in sein Büro, das über Shin’s Delight Restaurant an der Pacific Avenue in der Nachbarschaft von Chinatown lag. Wie üblich grinste er ihn spöttisch an, als er eintrat. Als das noch das Büro des Alten gewesen war, war es mit Gemälden und Artefakten aus China dekoriert gewesen.
Aber Tommy hatte das nicht gefallen. Also hängte er, als es sein Büro wurde, stattdessen Poster auf – von Filmen wie Batman und Lethal Weapon II oder von Bands wie REM und Public Enemy. Er hatte sogar die Wände gestrichen.
Touristen erwarteten, dass ein chinesisches Restaurant rote Wände mit einer goldenen Borte hatte. Er wollte sie nicht verstören, zumindest so lange sie das Geld brachten. Aber Tommy hatte darauf bestanden, dass sein Büro schwarz gestrichen wurde. Er hatte in einer Zeitschrift gelesen, dass dunkle Wände die Leute nervös machten, und Tommy mochte es, wenn man in seiner Gegenwart nervös wurde.
Jetzt blickte der Alte mit Abscheu auf die Musik- und Filmposter, dann drehte er sich zu Tommy um.
Während der Alte eine Art Pilzkopffrisur aus schlohweißem Haar trug, hatte Tommy seine Haare mit Schaumfestiger spitz nach oben frisiert. Der Alte trug traditionelle chinesische Kleidung, während Tommy ein weißes Leinenjackett mit bis zu den Ellenbogen aufgekrempelten Ärmeln über einem Polohemd mit hochgestelltem Kragen trug.
„Du bringst unseren Traditionen noch immer keinen Respekt entgegen.“
Das sagte der Alte immer, wenn er Tommy sah, und natürlich sagte er es auf Mandarin.
Tommys Antwort war ebenso routiniert, aber er sprach englisch.
„Diese Traditionen sind aus China. Wir sind jetzt in Amerika. Wir sollten uns auch so benehmen.“
Der Alte nahm auf dem Gästestuhl gegenüber Platz und sprach weiter Mandarin.
„Ich nehme nicht an, dass du mich hast rufen lassen,
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