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Das Herz des Jägers

Titel: Das Herz des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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mochte.« Sie war beleidigt.
    »Nein«, sagte Arendse. »Das ist der Maler, der perfekte Frauen porträtiert hat.«
    Sie geriet aus dem Gleichgewicht. »Mr. Arendse …«
    Er setzte sich ihr gegenüber. »Nennen Sie mich Orlando. Oder Onkel Orlando. Ich habe eine Tochter in Ihrem Alter.«
    »Ist sie auch im …«
    »Drogengeschäft? Nein, Miss Healy. Meine Julie ist Texterin in einer großen Werbeagentur. Letztes Jahr hat sie einen Preis für ihre Arbeit an der Volkswagen-Golf-Kampagne gewonnen.«
    Allison errötete. »Bitte entschuldigen Sie. Ich habe wohl die falschen Vorstellungen.«
    »Das ist meistens so«, sagte er. »Was möchten Sie trinken?«
    »Tee, bitte.«
    Er winkte einem Kellner mit der Selbstverständlichkeit eines Mannes, der es gewöhnt war, Befehle zu erteilen. Er bestellte Tee für sie, Kaffee für sich. »Eine Bedingung, Miss Healy. Sie werden meinen Namen nicht erwähnen.«
    Sie zog fragend die Augenbrauen hoch.
    »Mich in den Zeitungen auszulassen ist eine von vielen Möglichkeiten, die SAPS neugierig zu machen«, sagte er. »Das kann ich mir nicht leisten.«
    |216| »Sind Sie wirklich ein Drogenbaron?« Er sah nicht aus wie einer. Er sprach auch nicht so.
    »Ich fand die Bezeichnung immer amüsant. Baron.«
    »Sind Sie es?«
    »Es gab eine Zeit in meinem Leben, als ich jung war, da hätte ich Ihnen jetzt eine lange Erklärung gegeben, Miss Healy. Daß ich nur das Bedürfnis der Menschen erfülle, der Wirklichkeit entkommen zu wollen. Daß ich nur ein Geschäftsmann bin, der ein Produkt anbietet, nach dem nun einmal dringend verlangt wird. Mit dem Alter jedoch erlangt man Erkenntnis. Unter anderem bin ich ein Großhändler. Ein Importeur und Wiederverkäufer verbotener Substanzen. Ich bin ein Parasit, der von der Schwäche der Menschen zehrt.« Er sprach sanft, ohne Reue, er stellte nur die Tatsachen fest. Allison war fasziniert.
    »Aber warum?«
    Er lächelte wie ein Großvater über ihre Frage. »Geben wir die Schuld doch der Apartheid«, sagte er, dann lachte er leise vor sich hin und setzte mit Ghetto-Akzent und Bruchstücken aus einer anderen Sprache hinzu: »Is’ eben einfach so passiert, ne,
mêrrim, djy vat wat dyj kann kry, verstaa’djy

    Sie schüttelte verwundert den Kopf. »Was Sie für Geschichten erzählen könnten«, sagte sie.
    »Eines Tages, in meinen Memoiren, doch lassen Sie uns über den Mann des Tages reden, Miss Healy. Was wollen Sie über Tiny Mpayipheli wissen?«
    Sie schlug ihren Notizblock auf. Sie berichtete ihm von der Pressemitteilung der Ministerin, dem Vorwurf, daß Mpayipheli ein gefallener Held sei, der seine Fähigkeiten mißbrauchte. Zwischendurch wurden Tee und Kaffee serviert. Er fragte, ob sie Milch wünschte, dann goß er sie ihr in die Tasse. Er tat Milch und drei Löffel Zucker in seinen Kaffee und trank einen Schluck.
    »Gestern waren die Geheimdienstler bei mir. Sie stellten Fragen, als hätten sie die Macht und das Recht dazu. Ich finde es interessant, wie sich alles verändert und doch alles |217| gleich bleibt. Statt die Nigerianer zu jagen, die alles übernehmen. Wie soll man so überleben? Egal, es hat mich nachdenken lassen, letzte Nacht und heute morgen, als Tiny in den Nachrichten war. Ich habe viel an ihn gedacht. In meinem Beruf sieht man alle möglichen Menschen. Man lernt, sie als diejenigen zu erkennen, die sie sind, nicht als das, was sie einem weismachen wollen. Und Tiny … Ich wußte, daß er anders ist, schon als er durch meine Tür kam. Ich wußte, daß er nicht bleiben würde. Es war, als wäre nur sein Körper da, aber nicht sein Geist. Jahrelang dachte ich, das läge daran, daß er ein Xhosa in der Welt der Farbigen war, ein Fisch ohne Wasser. Aber jetzt weiß ich, daß es auch daran nicht lag. Er war niemals in seinem Herzen ein Knochenbrecher. Er ist ein Krieger. Ein Kämpfer. Vor dreihundert Jahren wäre er ganz vorne an der Front marschiert, er hätte sich mit Speer und Schild auf den Feind gestürzt, er wäre derjenige gewesen, der durchkam, während seine Kameraden um ihn zu Boden stürzten, derjenige, der weiter zustach, bis es nur noch Blut und Schweiß und Tod gab.«
    Orlando Arendse kehrte in die Wirklichkeit zurück. »In meinem Herzen bin ich romantisch veranlagt, meine Liebe, das müssen Sie entschuldigen.«
    »War er gewalttätig?«
    »Das ist eine gute Frage. Was ist ›gewalttätig‹? Wir sind alle gewalttätig, als Spezies. Es brodelt direkt unter der Oberfläche, wie in einem Vulkan. Aber wer Glück hat,

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