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Das Herz des Jägers

Titel: Das Herz des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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kann sein ganzes Leben ohne Eruption auskommen.«
    »Neigte Thobela Mpayipheli mehr zur Gewalttätigkeit als ein Durchschnittsmensch?«
    »Was wollen Sie hier beweisen?« fragte er ärgerlich.
    »Haben Sie den
Argus
von heute gesehen?«
    »Ja. Dort steht, daß er ein Kriegsheld war.«
    »Mr. Arendse …«
    »Orlando.«
    »Orlando, der Geheimdienst jagt diesen Mann quer durch unser Land. Wenn er ein gewalttätiger Krimineller ist, gibt |218| das diesem Vorgang eine ganz andere Perspektive. Und den Mitteln, die zum Einsatz kommen. Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, das zu erfahren.«
    Orlando Arendse schnitt eine Grimasse, bis sich die Falten auf seinem Gesicht tief eingruben.
    »Ich habe ein Problem mit den Medien, Miss Healy. Sie wollen Menschen in Schubladen packen, für mehr haben sie keine Zeit und keinen Platz. Menschen passen aber nicht in Schubladen. Wir sind nicht alle nur gut oder schlecht. In jedem von uns steckt ein wenig von beidem. Nein – in jeden von uns steckt eine Menge von beidem.«
    »Aber nicht aus jedem wird ein Mörder oder Vergewaltiger.«
    »Das gebe ich zu.« Er nahm ein Päckchen Zucker und drehte es zwischen den Fingern hin und her. »Tiny hat es niemals auf Gewalt angelegt. Sie müssen verstehen, er war groß, über zwei Meter. Wenn man ein Dealer in den Flats ist und dieser schwarze Riesenkerl kommt zur Tür rein und guckt einem in die Augen, dann sieht man die Zukunft, und sie gefällt einem gar nicht. Gewalt ist das letzte, wozu man ihn provozieren will. Er strahlte einfach nur die Androhung von Gewalt aus.«
    »Hat er manchmal auch Gewalt angewendet?«
    »Herrje, Sie hören auch nicht auf, bis Sie die sensationelle Antwort haben, auf die Sie aus sind.«
    Allison schüttelte den Kopf, aber er sprach weiter, bevor sie protestieren konnte.
    »Ja, manchmal hat er auch Gewalt angewendet. Was erwarten Sie, in meinem Geschäft? Aber vergessen Sie nicht, er wurde provoziert. Damals, bevor die Nigerianer anfingen, sich mit uns anzulegen, versuchten die Russen, den Markt unter Kontrolle zu bekommen. Sie waren sehr rassistisch. Tiny hat ein paar von ihnen direkt in die Intensivstation befördert. Ich war nicht da, aber die Männer haben mir davon erzählt; sie flüsterten mit weitaufgerissenen Augen, als hätten sie eine übernatürliche Erfahrung gemacht. Seine Intensität |219| war beeindruckend. Und was sie am meisten verängstigt hat – sie haben gesagt, es hätte ihm Spaß gemacht. Es war, als leuchtete ein Licht in seinem Inneren.«
    Allison kritzelte in ihr Notizbuch; sie mußte sich beeilen, um mitzukommen.
    »Aber wenn man ihn so definieren will, dann macht man einen Fehler. Er hat viel Gutes in sich. In einem schlimmen Winter waren wir zusammen in der Straße, im Rotlichtbezirk an der Strand Street, wir kassierten Schutzgeld, und er schaute hinüber zu den Straßenkindern. Dann ging er hinüber und holte sie alle zusammen – es mußten zwanzig oder dreißig gewesen sein, und er brachte sie in ein Steakhouse und sagte dem Management, es wäre ihr Geburtstag, sie hätten allesamt Geburtstag, und sie müßten etwas zu essen und eine Wunderkerze kriegen, und die Kellner müßten ›Happy Birthday‹ singen. Das war eine richtig tolle Party.«
    Sie schaute von ihrem Notizblock auf. »Er hat damals eine Entscheidung getroffen. Er wollte bei Ihnen arbeiten. Ich verstehe nicht, warum ein MK-Veteran für einen Drogenbaron arbeiten will.«
    »Das liegt daran, daß Sie nie ein MK-Veteran oder arbeitslos im neuen Südafrika waren.«
    »Touché.«
    »Wenn Sie Ihr Leben dem Freiheitskampf gewidmet haben und ihn schließlich gewinnen, dann erwarten Sie irgendeine Art Belohnung. Das ist menschlich, es ist eine unwillkürliche Erwartung. Freiheit ist nur ein Gefühl. Man kann die Freiheit nicht mit Händen greifen. Eines Morgens wachst du auf und bist frei, doch der Stadtteil ist genauso sehr Ghetto wie gestern, du bist genauso arm, dein Volk muß dieselben Lasten tragen. Man kann Freiheit nicht essen. Man kann sich damit kein Haus und kein Auto kaufen.« Er nahm einen großen Schluck Kaffee. »Madiba war Moses, und er führte uns ins Gelobte Land, aber dort gab es weder Milch noch Honig.«
    Er stellte seine Tasse hin.
    |220| »Oder so ungefähr.« Er lächelte sanft. »Ich weiß nicht, was ich Ihnen sagen soll. Sie suchen nach dem wahren Tiny, und ich glaube nicht, daß irgend jemand weiß, wer das ist. Ich kann Ihnen nur sagen, daß er in den Jahren, die er für mich gearbeitet hat, niemals

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