Das Herz des Jägers
flüchtige Motorradfahrer, der landesweit vom Geheimdienst, dem Militär und der südafrikanischen Polizei gesucht wird, war ein hochrangiger Umkhonto-we-Sizwe-Soldat, der im Freiheitskampf große Verdienste errang, sagt ein ehemaliger SANDF-Colonel und Kamerad von Thobela Mpayipheli.
»Obwohl ich Thobelas militärische Karriere im weiteren Verlauf des Freiheitskampfes gegen die Apartheid aus den Augen verloren habe, gibt es gar keinen Zweifel, daß er ein ehrbarer Soldat war«, sagt Col. Luke »Lucky« Mahlape, der als stellvertretender Leiter des Ersten Infanterie-Bataillons in Bloemfontein letztes Jahr in Rente ging.
Col. Mahlape, der jetzt in Hout Bay lebt, rief beim Argus an, um dies nach den Berichten über Mpayiphelis Flucht auf einem großen BMW-Motorrad, die früher am heutigen Tag öffentlich wurden, klarzustellen.
Bald werden sie ihre Meinung ändern müssen, dachte sie. Wenn die Ministerin es ordentlich durchzieht.
Thobela schlief nicht wieder ein, er zitterte auf der Matratze vor sich hin und fragte sich, während das Adrenalin durch seinen Körper raste, ob es noch mehr Straßensperren gab, denn das würden seine Nerven nicht aushalten. Er wollte unter der Plane herauskriechen, auf sein Motorrad steigen und die Sache wieder selbst in die Hand nehmen – er konnte es nicht ertragen, so hilflos zu sein. Er fragte sich, wie lange er geschlafen hatte und wo sie mittlerweile waren.
Es war unter der Plane praktisch dunkel, er konnte seine Uhr nicht lesen. Er drehte sich, so daß er die Plane anheben konnte, und bemerkte, daß es aufgehört hatte zu regnen. Er sorgte für eine kleine Öffnung. Zwanzig nach zwölf. Er ließ die Plane wieder heruntersinken.
|211| Zwei Stunden bei einem Durchschnitt von neunzig oder hundert Stundenkilometern. Richmond, schätzte er, dort mußte die Straßensperre gewesen sein. Das war eine der Gefahrenstellen, über die sie im Haus gesprochen hatten, als sie sich über die Karte beugten. Er wollte nach De Aar, Koos Kok sagte: »Nein, da ist die Armee, laß uns über Merriman nach Richmond fahren, und dann über die kleinen Straßen nach Philipstown, dann hast du das Schlimmste hinter dir, danach kommen Petrusville, Luckhoff, Koffiefontein.« Vielleicht würde es in Petrusburg noch einmal gefährlich, weil das auf der Hauptroute zwischen Kimberley und Bloemfontein lag, aber anschließend ging es immer nur geradeaus, Dealesville, Bloemhof, Mafikeng, Botswana, und niemand würde etwas mitbekommen haben.
Er war nicht so sicher. Kimberley war der gerade Weg. Dort würden sie auf ihn warten. Allerdings auf einem Motorrad, nicht hinten in einem Chevy El Camino.
Aber dann stimmte er doch zu, daß das Risiko zu groß war.
Der
Bakkie
wurde langsamer.
Was jetzt?
Er hielt.
Großer Gott.
»Xhosa«, sagte Koos Kok.
»Was?«
»Mach dir keine Sorgen. Ich muß tanken.«
»Wo?«
»Richmond. Wir sind gleich da.«
Großer Gott.
»In Ordnung.«
Koos Kok fuhr wieder los.
Er hätte noch sagen sollen: »Und keine Witze mehr über den Mann mit dem Motorrad.«
Aber das hätte wahrscheinlich sowieso keinen Unterschied gemacht.
|212| 23
Sie war naiv gewesen, als sie zur
Cape Times
gekommen war, sie hatte das Journalismus-Studium an der Rhodes University mit Sternen in den Augen abgeschlossen und mit dem innigen Wunsch, ihr romantisches Verhältnis zu den Worten bei
Cosmo
oder
Fair Lady
auszuleben, aber sie war bereit gewesen, sich ihre Sporen bei einer Tageszeitung zu verdienen. Sie vertraute jedem, glaubte allen, bestaunte die Berühmtheiten mit weit aufgerissenen Augen, wenn sie ihnen begegnete.
Dann setzte Desillusionierung ein, weder plötzlich noch dramatisch, aber die Wirklichkeit drängte sich uneingeladen in ihr Leben. Die Erkenntnis, daß Menschen unzuverlässig sind, unehrlich, selbstzentriert, egoistisch, hinterhältig, brutal, die Erkenntnis, daß sie zu einer gemeingefährlichen Rasse gehörte, die lügt, betrügt, mordet, vergewaltigt und stiehlt – unbeschadet ihres Status’, ihrer Nationalität oder Hautfarbe. Es war ein steter, aber oft traumatischer Prozeß für jemand, der nur das Gute und Schöne sehen wollte.
Miriam Nzululwazi und Immanuel, der Schuhputzer, hatten so überzeugend dargelegt, daß Mpayipheli ein guter Mann war. Die Ministerin hatte ein anderes Bild entworfen, die Tragödie eines einstmals vertrauenswürdigen Soldaten, der vom Kurs abgekommen war. Sehr weit vom Kurs.
Wo lag die Wahrheit?
Die einzige Möglichkeit, die Wahrheit
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