Das Herz des Loewen
bedeuten würde, die Carmichael hießen. „Ich kann auf mich selber aufpassen.“
„Und wenn Lion aus einem Hinterhalt überfallen wurde? Glaubst du, davor könntest du dich besser schützen?“ „Immerhin bin ich vorgewarnt“, entgegnete Ross zuversichtlich, obwohl ihm ganz anders zumute war. „Ich nehme alle Ritter mit, die du entbehren kannst.“ Und Owain, der sein Leben hingeben würde, um seinen Herrn zu retten, denn das war er ihm schuldig.
„Du wirst Megan Sutherland nicht zu uns bringen. Dieses Biest will ich nicht hier haben.“
Entschlossen hielt Ross dem zornigen Blick des Vaters stand. „Ich sagte, ich würde nach Curthill gehen.“ Und ich will die Wahrheit über Lions Tod herausfinden, ergänzte er in Gedanken. „Aber ich schwöre bei der Seele meines Bruders, niemals in die Familie einzuheiraten, die ihn ermordet hat.“
„Geld oder Leben! “, rief der Räuber.
„Du bekommst etwas ganz anderes! “ Die Prinzessin zog ihr Schwert und versetzte ihm einen kraftvollen Hieb, worauf er wie am Spieß brüllte, dann schlug sie noch einmal zu. Die Kinder schrien vor Lachen.
Lächelnd kauerte Megan Sutherland hinter dem Fass, das als Bühne diente. Das Püppchen in ihrer rechten Hand verprügelte das in der linken so lange, bis der Strauchdieb um Gnade flehte.
„Und jetzt die Geschichte, wo Lady Fiona zum Schloss läuft, die Ritter zu Hilfe ruft und die Hütte ihrer Pächter rettet!“, verlangte Jannet, die Tochter der Köchin. Ihre braunen Augen funkelten vor Vergnügen.
Megan freute sich über die Begeisterung der Kleinen. Als weiblicher Barde des Sutherland-Clans erfüllte sie die Pflicht, alte Mythen und Legenden am Leben zu erhalten. Mit ihren Puppenspielen konnte sie die Aufmerksamkeit der Kinder mühelos fesseln.
Das Amt des Seanachaidhs, des Barden, wurde nur selten einer Frau übertragen. Dass der Vater sie damit betraut hatte, erwärmte ihr Herz immer noch und entschädigte sie für seine mangelnde Zuneigung in den letzten beiden Jahren. Nein, dachte sie, eigentlich nicht, und ihr Lächeln erlosch. Aber sie konnte sehr gut vorgeben, es wäre so. Geschichten zu erzählen - das war ihr Lebensinhalt.
„Es ist spät geworden.“ Langsam stand sie auf. Wie immer, wenn sie zu lange in einer Stellung verharrt hatte, schmerzten die Muskeln ihres linken Beins, das Erbe jenes Tages, an dem ihr Bruder gestorben war. Geistesabwesend massierte sie ihren Schenkel, mit einer Hand, an deren Fingern immer noch die Puppe steckte.
„Da bist du ja, Meg!“, rief eine helle Stimme. Ihre Cousine Chrissy schloss die Stalltür und rannte herüber. Die langen blonden Zöpfe wippten über ihren runden Brüsten. „Bald ist Essenszeit. Deine Mutter wird dich schon suchen.“ Freundlich, aber energisch scheuchte sie die Kinder aus dem Stall. „Gerade haben wir’s gehört. Sein Schiff ist eingelaufen. Nun müsste er jeden Augenblick in der Burg eintreffen.“
„Ross Carmichael?“ Als die Cousine nickte, presste Megan beide Puppen an die Brust, um ihre rasenden Herzschlage zu besänftigen. „Also ist er gekommen. Das hätte ich nicht gedacht, nach allem, was geschehen ist.“ Armer Lion. Arme Siusan. Ihre Kehle wurde eng, wie immer, wenn sie an das unglückliche Paar dachte - ihre schöne jüngere Schwester, den hübschen Ritter, der sie so leidenschaftlich geliebt hatte. Jetzt war Lion tot - und Siusan verzweifelt.
„Nun, er ist hier. Und ich hoffe nur, diesmal wird alles ein gutes Ende finden. “ Chrissy zupfte einen Strohhalm aus Megans dichtem blondem Zopf. „Komm jetzt, wir müssen uns noch waschen.“
In dem schlichten rostbraunen Kleid, das Megan am Morgen angezogen hatte, um der Mutter im Kräutergarten zu helfen, konnte sie den Besucher nicht empfangen. Das wusste sie, aber sie zögerte trotzdem. „Ich kann es kaum fassen, dass er mich heiraten will.“
„Warum nicht? Du besitzt das Gesicht eines Engels und eine Seele, die genau dazu passt. Und er muss sich glücklich schätzen, wenn er dich erobert.“
„Das meine ich nicht.“ Ich bin kein Engel, dachte Megan. Weder äußerlich noch innerlich. Ihre Lippen waren zu voll, ihre Augen zu groß für das kleine Gesicht, und sie hatte ein viel zu lebhaftes Temperament, was die sittenstrenge Mutter immer wieder bemängelte. Aber das bereitete ihr keine Sorgen. Sie zeigte auf ihr linkes Bein, das von den langen, weiten Röcken verhüllt wurde. „Glaubst du, dass sie ihm davon erzählt haben?“
„Ja - wahrscheinlich“, antwortete
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