Das Herz des Loewen
ihr leidvolles Stöhnen schnitt ihm ins Herz. „Ganz ruhig! “, bat er sie ebenso wie seinen Hengst, als er aufstieg.
Die Augen fielen ihr wieder zu, und Ross fürchtete, sie könnte die Besinnung verloren haben. Aber vielleicht war es besser, wenn sie auf diese Weise ihren Schmerzen entrann. Fest umschlang sie sein Arm, dann versetzte er Zeus in langsamen Trab. Trotz des dichten Baldachins, den die Blätter bildeten, strömte der Regen unbarmherzig herab. So gut es ging, schützte Ross seine kostbare Last mit seinem Körper und hielt nach der Hütte Ausschau. Beinahe hätte er sie in der Finsternis übersehen, wäre das Pferd nicht plötzlich stehen geblieben, um die Ohren zu spitzen und nach rechts zu schauen.
„Was gibt’s, alter Junge?“ Für alle Fälle zog Ross seinen Dolch aus dem Gürtel und ließ sich von Zeus zu einer kleinen Lichtung führen. Beim Anblick der Hütte atmete er erleichtert auf. Kein Licht schimmerte durch die Fenster, kein Rauch stieg aus dem Schornstein im Strohdach, trotzdem ritt Ross nur langsam und vorsichtig näher. Ein Blitz erhellte die Umgebung, und sein Licht fiel auf eine Ziege, in einem Verschlag neben der Hütte festgebunden - offenbar derzeit die einzige Bewohnerin des ärmlichen Anwesens.
Beruhigt steckte Ross den Dolch wieder in seinen Gürtel. Feuchtes Leder knarrte, als er abstieg, dann trug er seine reglose Gemahlin zur Tür, schob den Riegel zurück und betrat die Hütte. Im grellen Schein eines weiteren Blitzes nahm er die wenigen Einrichtungsgegenstände wahr. Ein Herd zur Linken, daneben eine Lagerstatt am Boden. Blindlings rannte er darauf zu und stieß mit der Hüfte gegen einen Tisch. Seine Fußspitze berührte die strohgefüllte Matte, und er legte seine kostbare Bürde darauf. Im Licht weiterer Blitze fand er den Flintstein neben dem Herd, entzündete eine Kerze und das Brennholz, das auf der Feuerstelle bereitlag.
Dann verließ er die Hütte, führte Zeus in den Verschlag zu der Ziege und sattelte ihn ab. „Später striegle ich dich, mein
Freund, jetzt muss ich erst einmal nach Megan sehen.“ Er gab dem Hengst einen Klaps auf die Kruppe und kehrte in die Hütte zurück.
Hell loderte das Feuer empor, verströmte aber noch keine Wärme. Megan hatte sich nicht gerührt. Besorgt neigte er sich hinab, berührte ihren Hals, und der sehr schwache Puls unter der kalten Haut jagte ihm noch größere Angst ein. Hastig streifte er sein hinderliches Kettenhemd ab und warf es in eine Ecke. Dann befreite er seine Gemahlin von der nassen Kleidung. Das schlichte Wollkleid war im Rücken verschnürt, und als er die Kordel nicht lösen konnte, durchschnitt er sie mit seinem Messer.
Der Anblick ihres nackten Körpers, der letzte Nacht so heiße Leidenschaft erweckt hatte, erfüllte Ross jetzt mit kaltem Entsetzen. Fast überall war ihre Haut blau verfärbt, bis auf die purpurne Narbe, die sich von der linken Hüfte bis zum Knie hinabzog. Welche Qualen musste sie erlitten haben ...
Er breitete die dünne Decke über Megan aus und begann vorsichtig, ihre Glieder zu reiben, um sie wärmen. Allmählich kam sie zu sich, warf stöhnend ihren Kopf auf dem Kissen hin und her. Im schwachen Licht wirkte ihr nasses Haar fast schwarz. Er musste es unbedingt trocknen.
Das fadenscheinige Leinentuch, das neben der Waschschüssel auf dem Tisch lag, reichte nicht aus, um Megans dichte, taillenlange Haare zu trocknen. Ärgerlich warf er es beiseite und durchsuchte den Raum, bis er ein Laken fand, in das er Megan von Kopf bis Fuß hüllte.
Dann richtete er sich auf und betrachtete zufrieden sein Werk. Nun war sie endlich halbwegs trocken, ihre Lippen schimmerten nicht mehr bläulich. Der Widerschein des Feuers glühte auf den feuchten Strähnen, als er seine Finger hindurchgleiten ließ, um sie zu entwirren.
„Autsch! “ Vorwurfsvoll öffnete sie die Augen.
„Megan! Alles in Ordnung?“
Verwirrt blinzelte sie. „Wo bin ich?“
„In einer Hütte im Wald. Ich musste dich ins Trockene bringen ... Wie fühlst du dich?“
„Ich ... ich kann mich nicht bewegen.“
„Oh Gott, Meg...“
„Irgendein Narr hat mich wie einen Säugling eingewickelt“, klagte sie und versuchte, sich zu befreien.
Erleichtert seufzte er auf. „Rühr dich nicht, ehe ich festgestellt habe, dass du dir nichts gebrochen hast.“ Vorsichtig tastete er sie ab. Seine Fürsorge erwärmte sie viel schneller, als es die unzureichende Hülle vermocht hätte.
„Ich glaube, meine Knochen sind heil
Weitere Kostenlose Bücher