Das Herz des Loewen
der nassen
Decke, mit den Regentropfen, die von ihrer Nase und dem eigenwilligen Kinn rannen, sah sie wahrlich nicht reizvoll aus, doch ihre Anziehungskraft beschränkte sich nicht auf ihr schönes Gesicht, den weichen, verletzlichen Mund, das seidige blonde Haar. Die großen dunklen Augen, die ihn anstarrten, waren Spiegel ihrer großmütigen, trotz aller Lügen reinen Seele.
Schmerzhaft zog sich sein Herz zusammen. Oh Gott, er liebte sie! Nein, niemals! Schaudernd zwang er sich, seine Gefühle zu verdrängen. „Aye, und ich werde deine Flucht verhindern.“ Ohne die Furcht in Megans Augen zu beachten, zog er die Stute hinter sich her. Die Pferde schlitterten den rutschigen Hang hinab. Die Marschkolonne war auseinandergerissen worden, jeder Mann und jedes Tier suchte einen eigenen Weg aus der schlammigen Hölle. Ein Krieger fiel schreiend aus dem Sattel, rollte ebenso wie sein Hengst in den rauschenden braunen Fluss hinab, der über die Ufer getreten war.
Erschrocken hielt Ross inne, der Instinkt des Befehlshabers ermahnte ihn, Megan zu verlassen und dem Gestürzten zu helfen. Aber die reißenden Wasser schwemmten seine Opfer rasch davon, bald verschwanden sie aus dem Blickfeld. Und so blieb ihm nichts anderes übrig, als weiterzureiten. „Halt dich fest!“, rief er seiner Gemahlin zu und presste die Knie in Zeus’ Flanken. Unter den Schenkeln spürte er, wie sich die kraftvollen Muskeln des Schlachtrosses anspannten, während es sich einen Weg über Schlamm und Gestein bahnte und die Stute mit sich zerrte.
Sie erreichten höheres Gelände, und Ross sah zu seiner Linken einen dunklen Fleck. Das musste die Höhle sein. Weiter hinten entdeckte er eine Baumreihe, die den Waldrand markierte - zu weit entfernt. Männer und Pferde waren gleichermaßen erschöpft. So verlockend der Gedanke an die Hütte und ein wärmendes Feuer auch anmuten mochte, sie mussten sich mit der Höhle begnügen. „Hier entlang!“, befahl er und zeigte nach links. Er drehte sich um, sah für einen kurzen Moment das verängstigte Gesicht seiner Gemahlin, ehe sich die Stute plötzlich losriss und durchging. „Megan!“, schrie er, aber der Sturm und rauschender Regen verschluckten seine Stimme.
Es war ein Alptraum, aus der Vergangenheit zurückgekehrt. Mühsam hielt sich Megan an der Mähne des Pferdes fest, das ziellos dahinraste. Der Wind hatte ihr die Decke von den Schultern geweht, doch in ihrer entsetzlichen Angst spürte sie den kalten Regen kaum, der ihre Kleidung durchnässte. Mit aller Kraft klammerte sie, sich an die Stute, die über das unebene Terrain stob, als wären alle Höllenhunde hinter ihr her. Erst im Wald verlangsamte sie notgedrungen ihre Schritte.
„Beruhige dich Mädchen!“ Mit einer bebenden Hand strich Megan über den geblähten Hals des Tiers und ertastete etwas Klebriges. „Was?“ Ein Blitz zuckte über den Himmel und beleuchtete einen schmalen Gegenstand, der aus dem dunklen Fell ragte. „Blut?“ Vorsichtig berührte sie die Wunde, und die Stute wieherte gequält, verdrehte die Augen, jagte wieder in wildem Galopp durch das Dunkel.
Zweige und Dornen rissen an Megans Kleidern und an ihren Haaren. Verzweifelt versuchte sie, im Sattel zu bleiben. Aber dann schlug ein dicker Ast gegen ihre Rippen und schleuderte sie vom Pferd. In hohem Bogen flog sie durch die Luft, landete mit wuchtigem Aufprall am Boden, und der Atem wurde ihr aus den Lungen gepresst. Schwarze Punkte tanzten vor ihren Augen, bevor sie in einen tiefen Abgrund hinabgerissen wurde ...
„Megan! Megan!“ Die beharrliche, vertraute, geliebte Stimme holte sie aus der Schattenwelt zurück. „Wo bist du verletzt?“
„Überall“, stöhnte sie.
„Am Kopf? Tut dein Kopf weh?“ Behutsam streichelte Ross ihre Stirn, ihre Wange, strich das nasse Haar nach hinten. „Mach doch die Augen auf, Liebste! “
Trotz ihrer Qualen beglückten sie das Kosewort und die Besorgnis, die sie aus Ross’ Worten heraushörte. Langsam hob sie die Lider, sah dunkle Umrisse dicht über ihrem Körper, zuckte instinktiv zusammen. „Gib acht - dass das Pferd nicht auf mich fällt ...“
„Das verdammte Biest ist davongelaufen.“ Sie lebte, und offenbar konnte sie klar denken, aber seine Sorge ließ nicht nach. Megan war nass bis auf die Haut, zitterte unkontrollierbar, und nur Gott mochte wissen, welchen Schaden sie genommen hatte. Er musste sie in Sicherheit bringen, ins Trockene. „Vorsicht, jetzt hebe ich dich hoch.“
Er nahm sie auf die Arme, und
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