Das Herz des Südens
natürlich, dass Mr Gale uns verlässt.« Es war eine Feststellung, keine Frage. Cleo wusste, dass Madame nur so tat, als wäre ihr nicht klar, dass sie an den Türen lauschte. »Monsieur LeBrec wird heute ankommen«, fuhr Madame fort. »Er ist ein paar Tage früher hier, damit Mr Gale ihn einarbeiten kann. Bis Mr Gales Familie das Aufseherhaus frei macht, werden die LeBrecs eine Unterkunft brauchen, und die anderen Sklaven haben zu viel zu tun, ich kann sie nicht von ihrer Arbeit abziehen. Du wirst den neuen Wagenschuppen für die Familie vorbereiten.«
»Soll ich die Wagen draußen stehen lassen? Aber was, wenn es regnet?«
»Dann werden sie eben nass.«
»Ja, Madame.«
»Sag Louella, dass die LeBrecs und die Gales heute Abend mit mir essen. Ich bin es leid, allein an diesem Tisch zu sitzen.«
»Ich sage ihr, dass sie wegen der Speisenfolge kommen soll.«
Madame Emmeline antwortete mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Ach was, sie soll irgendwas machen.«
An diesem Abend saßen die beiden Aufseher und ihre Frauen zum Essen an Madames Tisch. Mrs Gale und Madame LeBrec hatten beide ihr bestes Kleid angezogen und verbrachten den Abend damit, abzuschätzen, um wie viel sie die andere übertrafen. Sie hatten beide gebadet und sich Locken gedreht und Rouge aufgelegt, und da sie beide fest von ihrer eigenen Überlegenheit überzeugt waren, genossen sie sichtlich die Gegenwart der anderen.
Während Cleo bei Tisch bediente, beobachtete sie Monsieur LeBrec ganz genau. Er war ein Cajun und trug einen vornehmen Haarschnitt mit einer pomadisierten Welle aus dichtem schwarzem Haar. Sein braunes Jackett war gut geschneidert, aber Cleo bemerkte die feinen Stopfstellen an den Ellbogen.
»Nein, nein, an meiner letzten Stelle hatte ich keinen Ärger mit Faulpelzen«, sagte er gerade. »Schnelle, sichere Strafen. Ein scharfes Messer, ein Schnitt ins Ohr, das hält die Sklaven schon auf Linie.«
»Ich bin überzeugt, Sie werden feststellen, dass wir gute Arbeiter hier auf Toulouse haben, Mr LeBrec«, bemerkte Mr Gale. Cleo hörte den scharfen Klang in seiner Stimme. »Nehmen Sie einmal die Männer, die Sie heute Nachmittag beim Hüttenbauen beobachtet haben. Ich garantiere Ihnen, Sie werden keinen einzigen Faulpelz unter ihnen finden. Faire Behandlung, damit holen Sie immer noch das meiste aus ihnen heraus.«
LeBrec lächelte. Cleo bemerkte die Arroganz im Schwung seiner Lippen unter dem schwarzen Schnurrbart, dessen gezwirbelte Spitzen sorgfältig gewichst waren.
»Faire Behandlung? Der Durchschnittssklave weiß doch überhaupt nicht, was das bedeutet. Und schon sind die jungen Kerle weggelaufen, weil sie denken, sie sind schlauer als wir.«
Mr Gale saß starr da. »Wie lange ist hier keiner mehr weggelaufen?« Er blickte Madame Emmeline an. In früheren Zeiten hätte sie Gespräche über die Sklaven an ihrem Tisch nicht geduldet, aber nun schien sie nicht einmal die wachsende Hitzigkeit des Gesprächs zu bemerken. Oder sie kümmerte sich nicht darum.
»Seit etwa sechs Jahren«, antwortete sie.
»Sehen Sie, seit sechs Jahren!«, wiederholte Mr Gale.
Mrs Gale legte ihm begütigend eine Hand auf den Arm. Entschuldigend lächelte sie Madame Emmeline an. »Diese beiden Männer haben doch nun den ganzen Nachmittag miteinander verbracht«, sagte sie mit einem nervösen Lachen. »Und sie haben offenbar immer noch nicht alles gesagt, was gesagt werden muss.«
Damit war die Diskussion der Männer auf elegante Weise unterbrochen, und Monsieur LeBrec verlor das Interesse an der folgenden Unterhaltung. Mit seinen Blicken verfolgte er Cleo, die sich um den Tisch bewegte und Wein einschenkte.
Gelegentlich hatte Emile Gäste mitgebracht, die die Verhältnisse in diesem Haus nicht gleich begriffen hatten, und solche Männer hatten ihr ähnliche Blicke zugeworfen wie LeBrec es nun tat. Sie verstand diese Blicke, und ihre Hände begannen zu zittern.
Als sie ihm nachschenken wollte, ließ er seine Hand, ungesehen von den anderen, an Cleos Bein hinaufgleiten, um unter ihrem Rock ihr Hinterteil zu tätscheln. Sie fuhr zurück und warf dabei sein Glas zu Boden.
Hastig kniete sie sich nieder, um die Scherben aufzuheben.
»So ein dummes Ding«, bemerkte Madame LeBrec schrill. »Es ist wirklich schwierig, Sklaven ein wenig Sorgfalt mit den Sachen beizubringen.«
Cleo blickte auf, als sie die Scherben in ihrer Schürze einsammelte, und sah, wie LeBrecs Blick von ihrem Ausschnitt zu ihrem Gesicht hinaufwanderte. Sein Lächeln war so gut
Weitere Kostenlose Bücher