Das Herz des Südens
Witwenkleid der Frau sah, denn sie musste jedes Mal an das Kleid denken, das sie bei Mamans Beerdigung hatte tragen müssen. Ihre eigene Garderobe war komplett neu, obwohl natürlich auch bei ihr die Farbe Schwarz immer noch dominierte.
Der Jackson Square war voller Leben. Albany blieb mit ihr bei zwei kleinen schwarzen Jungen stehen, die tanzten und sangen und einen zerlumpten alten Hut vor sich auf der Erde aufgestellt hatten, mit einem einzelnen Penny darin, der die Zuhörer animieren sollte, ein paar Münzen dazuzulegen. Die Jungen sangen und klatschten im Rhythmus ihrer tanzenden Füße in die Hände. Mit einer schwungvollen Bewegung beendeten sie ihre Darbietung und strahlten Josie an.
»Wunderbar!«, sagte Josie.
Albany warf eine Münze in den Hut und zog sie weiter. »Merci, Monsieur!«, riefen die Jungen hinter ihnen her. »Merci, schöne Dame!«
In ihren ersten Wochen in New Orleans hatte Josie bei jeder Einladung, an der sie teilnahm, nach Bertrand Chamard Ausschau gehalten, und sie war sehr enttäuscht gewesen, als sie festgestellt hatte, dass er noch gar nicht in der Stadt war. An anderen Tagen hatte ihr Herz einen Sprung getan, wenn sie jemanden sah, der Phanor DeBlieux ähnlich sah. Sie würde ihm sicher bald begegnen, in der nächsten Straße, gleich hier um die Ecke würde sie ihn sehen. Sie wusste, er war noch in New Orleans, denn Grand-mère hatte berichtet, wie außerordentlich zufrieden Monsieur Cherleu mit Phanor war, mit seinem Verstand und mit seiner Verlässlichkeit – Qualitäten, die bei einem Cajun selten zu finden waren, wie Grand-mère hinzugefügt hatte.
In der Hoffnung, einen der beiden Bekannten bald zu sehen, hatte sie die ersten Wochen verbracht, aber bisher hatte sich keiner der beiden gut aussehenden Männer blicken lassen. Und sie hatte so sehr davon geträumt, einen von ihnen zu sehen, wie er den Hut vor ihr zog, sein rabenschwarzes Haar sehen ließ und wie die braunen Augen funkelten.
»Ich möchte Ihnen etwas zeigen, Josephine«, sagte Albany. Ihr Herz wurde schwer, als er sie Richtung Deich führte. Sicher waren wieder Schiffe auf dem Fluss zu sehen, und sie würde sich anhören müssen, woher sie kamen und was sie geladen hatten. Albany war wie besessen von dem Gedanken an den Handel, der durch New Orleans floss.
»Warten Sie, Albany«, antwortete sie, als sie an einem Händler vorbeikamen, der Plantagen-Bananen in einen Kessel mit kochend heißem Öl warf. »Vielleicht möchte Madame Lambert eine Tüte gebratene Bananen.«
»Aber selbstverständlich«, gab Albany zurück.
Josie legte ihm die Hand auf den Arm und lächelte zu ihm hoch. »Und ich auch.«
Er lachte duldsam und brachte jeder Dame eine Papiertüte mit Bananen, die mit braunem Zucker bestreut waren. »Sie werden sich Ihre Handschuhe ruinieren«, sagte er.
»Ach was«, lachte sie, zog ihre Ziegenleder-Handschuhe aus und reichte sie ihm, damit er sie solange in die Jackentasche steckte.
Was den Vortrag über den Handel in New Orleans anging, sollte sie recht behalten. Albany deutete auf die Frachtkähne, die Baumwollballen den Fluss hinunterbrachten, auf die Fässer mit Melasse, die auf ein Schiff geladen wurden, und auf die Tonnen mit Wein und Bier, die an einem der Docks abgeladen wurden. Der kalte Wind, der Josies Röcke hochblies, schien ihn nicht zu kümmern.
»Die Melasse und der Zucker deiner Großmutter wurden vermutlich letztes Jahr genau hier abgeladen«, bemerkte er. Josie nickte und versuchte, Aufmerksamkeit zu zeigen. Sie wusste genau, wie viele Fässer ihre Großmutter im vergangenen Jahr den Fluss hinuntergeschickt hatte, aber in diesem Jahr hatte Toulouse natürlich weder Melasse noch Zucker produziert.
Albany führte Josie und Madame Lambert zu einem Café, wo sie sich zu dritt niederließen. An den meisten Tagen war es in New Orleans auch zu dieser Jahreszeit warm genug, um draußen zu sitzen, sofern man ein windgeschütztes Plätzchen fand, und der Kaffee war kräftig und heiß. Albany unterhielt sich mit Madame Lambert, während Josie an ihrem Café au Lait nippte und einem Jongleur zusah, der auf der anderen Straßenseite stand. Er war noch nicht sehr gut, selbst mit drei Bällen ließ er immer wieder einen fallen, aber er gab nicht auf. Er hatte rote Haare, etwas, was Josie erst selten gesehen hatte, einer der neuen irischen Einwanderer, von denen sie gehört hatte. Sie waren so arm! Kaum besser als die Schwarzen, murmelte Madame Lambert hinter ihrem Fächer.
Nach dem
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