Das Herz des Südens
zu verstehen, als hätte er laut gesprochen.
Cleo eilte aus dem Zimmer, als wollte sie ein neues Glas aus dem Geschirrschrank holen. Stattdessen ging sie an dem Schrank vorbei und setzte sich für einen Augenblick in Emiles altes Arbeitszimmer in den alten Ledersessel. Sie kauerte sich zusammen, die Knie dicht an den Körper gezogen, und atmete den Duft seines Tabaks ein, der immer noch in dem Zimmer zu erahnen war. Wer würde sie jetzt beschützen?
An diesem Abend hielt LeBrecs Frau Cleo noch lange auf Trab, während ihre Familie sich im Wagenhaus einrichtete. Sie brauchte noch eine Laterne. Der kleine Yves brauchte ein Kopfkissen. Sylvies Bett war so hart; ob es nicht noch irgendwo eine Matratze gab, auf der sie liegen konnte? Bis Cleo alle Wünsche der LeBrecs erfüllt hatte, war es längst stockfinster in den Unterkünften.
Am nächsten Morgen brachte sie Madame Emmelines Wäsche ins Waschhaus. Den Korb auf dem Kopf, überquerte sie den Hof und kam am Wagenhaus vorbei, als ihr Madame Le-Brec den Weg versperrte.
»Bonjour, Madame«, sagte sie.
»Bleib mal einen Augenblick stehen, Mädchen.«
Cleo wartete; sie fragte sich allmählich, ob diese Frau von ihr verlangte, dass sie den Schuppen in einen Palast verwandelte. Aber die Frau des Aufsehers hatte etwas anderes im Sinn.
»Monsieur LeBrec ist ein gut aussehender Mann«, sagte sie. »Und ein Mann mit großem Appetit.«
Cleo hielt vor Schreck die Luft an.
»Ich habe gesehen, wie du ihm Blicke zugeworfen hast.«
»Nein, Madame!«, protestierte Cleo.
»Bei dem letzten Mädchen habe ich dafür gesorgt, dass sie gebrandmarkt wurde. Unter anderem.« Die Frau wandte sich ab, um zu gehen, fügte aber noch über die Schulter hinzu: »Nur dass du es weißt.«
Zurück im Haus, polierte Cleo jedes einzelne Möbelstück. Dann schrubbte sie den Boden im Speisezimmer, kletterte auf einen Hocker und polierte jede einzelne Facette des Kronleuchters im Salon. Den ganzen Tag arbeitete sie fieberhaft, so verschreckt und verzweifelt war sie.
Niemand würde ihr helfen. Remy konnte sie nichts davon erzählen, denn was konnte ein Landarbeiter schon gegen einen Aufseher ausrichten? Madame würde vielleicht verstehen, aber erst, wenn wirklich etwas geschehen war, wenn LeBrec tatsächlich handgreiflich geworden war.
Als sie das Tischtuch über dem Geländer der Veranda ausschüttelte, kam Mr Gale aus Madames Arbeitszimmer. Cleo machte einen Schritt auf ihn zu, und er blieb stehen, den Hut in der Hand.
»Mr Gale?«, flüsterte sie ihm zu.»Dieser neue Aufseher…«
Er nickte kurz und setzte den Hut auf. »Du bleibst am besten so viel wie möglich im Haus, Mädchen«, sagte er. »Mehr kann ich nicht sagen. Bleib so viel wie möglich im Haus.«
Aber sie musste Remy treffen! Der Mond stand schon hoch, als sie an ihrem gemeinsamen Lieblingsplatz ankam. Sie wartete, und der Mond bewegte sich weiter über den Himmel, aber Remy kam nicht. Manchmal war Mr Gale noch lange draußen unterwegs, und manchmal schlief Remy ein, bevor Cleo sich im Haus frei machen konnte. Er war ein wunderbarer Liebhaber, aber er war eben auch ein Mann, der zwölf Stunden am Tag hart arbeiten musste und abends müde war.
Auf dem mondhellen Pfad ging sie zurück zum Haus, mit langsamen Schritten, weil sie entsetzlich müde war, aber als sie aus den Schatten ein Geräusch hörte, beschleunigte sie ihren Schritt.
»Na, Mädchen!« Es war Monsieur LeBrec. »Was machst du denn so spät noch hier draußen? Du willst doch keinen Ärger, oder?«
Er trat zu ihr, und sie konnte den Alkohol in seinem Atem riechen, als er sie am Arm festhielt.
»Bist du auf der Suche nach einem Kerl, der hier herumläuft? Bist du deswegen hier draußen? Ja, du brauchst einen Kerl, ist es nicht so?«
»Nein, Monsieur, lassen Sie mich bitte gehen.«
»Nein, Monsieur! Spielt die feine Dame! Vornehmes Gerede, hm? Bitte, sagt sie!« Er beugte sich herunter und atmete ihr ins Gesicht. »Du bist ein verwöhntes kleines Niggerding, aber warte nur, das kriegen wir schon.«
Cleo machte sich frei und rannte zum Haus. LeBrec lachte nur hinter ihr her.
In dieser Nacht tat sie kaum ein Auge zu. Sie hörte, wie Madame Emmeline aufstand, für eine Stunde umherlief und sich dann wieder ins Bett legte. Und sie war immer noch wach, als Madame aufstand und sich in den quietschenden Schaukelstuhl auf der Veranda setzte, um dem Sonnenaufgang zuzusehen.
Später an diesem Morgen beobachtete sie, wie Mr Gale seine Familie auf einen Wagen packte und
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