Das Herz des Südens
Fett auf die Kratzer gerieben und die Kletten aus seinen Hosen geklaubt, während er seine Ration Maisbrot und Speck aß. Manchmal hatte sie ihm auch Reste von Madames Tisch mitgebracht, etwas Eingemachtes oder auch ein übrig gebliebenes Schweinekotelett.
»Was ist das denn«, hatte Remy einmal gefragt.
»Marmelade.«
Remy hatte daran geschnuppert.
»Probier doch mal«, hatte sie gedrängt.
Remy hatte die Augen verdreht, als er den Löffel in den Mund steckte. »Das ist ja süßer als Zuckerrohr! Du verwöhnst mich, Cleo.«
Er schlief in der Hütte der Junggesellen, sodass sie keinen Ort hatten, an dem sie allein sein konnten. Oft gingen sie auf dem Deich spazieren und genossen die frische Luft am Fluss. Manchmal entzündeten sie auch einen Rauchtopf gegen die Mücken und ließen sich nieder. Und manchmal gingen sie zu ihrem versteckten Lieblingsplatz und liebten sich auf einer alten Decke. Danach lagen sie nebeneinander auf dem Rücken, die Finger ineinander verschränkt.
»Wenn wir nicht aufpassen, bekommst du ein Baby«, hatte Remy einmal gesagt.
»Ich weiß. Das ist schon in Ordnung.«
»Nein, das ist nicht gut. Wir sollten noch warten, Cleo, jedenfalls so gut wir können. Wenn ich frei bin, kann ich dich freikaufen. Und dann werden unsere Kinder frei geboren.«
15
Toulouse, November 1836
In ihrem Bett aus Blättern unter den Bäumen schmiegte sich Cleo enger an Remy. »Ich habe in Monsieur Emiles Zimmer eine Landkarte gefunden, Remy.«
»Was soll ich denn damit anfangen, ich kann doch nicht lesen.«
»Ach was, eine Landkarte kannst du doch lesen! Ich zeige dir, wie das geht.«
»Na, vielleicht …«
»Wie willst du denn sonst rausfinden, wie du in die freien Staaten kommst?«
»Also gut, bring mir die Karte mit, ich versuch’s.«
»Aber da oben im Norden ist es jetzt kalt.«
»Ja, klar, aber wenn ich an Weihnachten abhaue, merkt es keiner. Madame hat uns zwei Tage freigegeben, und an den zwei Tagen sucht Mr Gale nicht nach mir.«
Sie hielten sich eng umschlungen und beobachteten den Mond, der sich durch die Bäume bewegte. »Ich werde dich so vermissen!«, flüsterte Cleo.
Remy nahm sie fester in den Arm. »Ich weiß, meine Liebste, aber wir müssen es versuchen. Für unsere Kinder, wir müssen frei sein.«
»Ich habe Neuigkeiten aus dem Haus, Remy.«
»Gute?«
»Keine Ahnung. Mr Gale hat sich eine Farm in Texas gekauft, und Madame hat schon einen neuen Aufseher eingestellt.«
Remy stöhnte. »Ich hab gehört, die anderen Aufseher sind viel schlimmer als Gale.«
»Na, jedenfalls ist er bald weg.«
Remy dachte einen Augenblick nach. »Dann gehe ich am besten gleich.«
»Noch vor Weihnachten?«
Er nickte. »Dieser Neue, der wird Madame wahrscheinlich erst mal beweisen wollen, wie hart er durchgreift. Da haue ich lieber ab, bevor er mich kennenlernt.«
Ihr ganzes Leben lang hatte Cleo Geschichten über Sklaven gehört, die versucht hatten, zu entkommen. Viele von ihnen hatten sich in den Wäldern oder in den Sümpfen verirrt, waren irgendwann halb verhungert zurückgekommen, mit Fieber und ganz verschwollen von den Mückenstichen.
Am schlimmsten waren jedoch die Geschichten über diejenigen, die man wieder eingefangen hatte. Cleo wusste, diese Geschichten wurden auch erzählt, um andere Sklaven abzuschrecken, die Flucht zu versuchen. Aber sie waren trotzdem wahr. Auspeitschungen, bis das Fleisch sich von den Knochen löste, waren noch lange nicht die schlimmsten Bestrafungen. Mr Gale fand ja, die Peitsche sei Strafe genug, aber andere Aufseher, wie zum Beispiel dieser berüchtigte Schotte in der Nachbargemeinde, hatten auch schon mal einem Mann mit der Axt einen Fuß abgehauen, um ihn ein für alle Mal an die Plantage zu binden.
»Der Neue könnte aber auch ein guter Mensch sein«, gab Cleo zu bedenken. »Vielleicht ist er so gut wie Mr Gale.«
»Ich vermute eher, er ist so wie dieser McGraw oben am Fluss. Der alte Sam sagt, der liebt sein Brandeisen.«
»Madame hat noch nie jemanden brandmarken lassen, Remy. Das macht sie nicht, sie lässt dich nicht verbrennen.«
Remy zog sich ein bisschen von ihr zurück. »Du redest, als ob du meinst, ich lasse mich einfangen.«
Cleo setzte sich auf. »Ich weiß, dass du dich im Sumpf zurechtfindest, Remy, aber überall sind Patrouillen unterwegs, Tag und Nacht. Erinnerst du dich, wie sie den alten Sam halbtot zurückgebracht haben, in Ketten?«
Remy legte ihr eine Hand unters Kinn und hob ihr Gesicht an das seine. »Ich werde es
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